Wie Sie Ihre Agenturstundensätze steigern und ein Grund, es vielleicht nicht zu müssen (Teil 1).

Foto: Fotolia | Datei: #81917741 | Urheber: olly

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Gewinn. Ein unscheinbares, zweisilbiges Wörtchen. Und doch kann es die Zukunft Ihrer Agentur entscheiden.

Wie bei allen anderen Dienstleistern auch, gibt es in Agenturen eine endliche Summe an Arbeitsstunden pro Mitarbeiter, die man meistbietend an Kunden verkaufen kann. Aber wenn der Gewinn am Ende nicht dem Plan entspricht oder zumindest die Erwartungen nicht erfüllt, denkt man ganz natürlich als Erstes darüber nach, die Stunden- oder Tagessätze anzuheben. In einem Markt mit Dienstleistungsüberangebot und daraus resultierender Preiszersetzung, wie unserem, kein leichtes Unterfangen. Bevor Sie also den konsequenten und notwendigen Schritt gehen und Ihre Honorarsätze erhöhen, lassen Sie uns Ihre Optionen hier erst einmal durchspielen.

1. Machen Sie vielleicht auch einen dieser gewinnvernichtenden Fehler?
Auf meine Empfehlung hin, hatte eine Agentur das zeitnahe und projektbasierte Cost-Controlling eingeführt. Bei der Post-Analyse stellte sich heraus, dass man bereits nach 9 Monaten 200.000,- € an Arbeit in einen Kunden investiert hatte, mit dem man gerade einmal 100.000,- € als jährlichen Retainer vereinbart hatte. Mehr, als die Hälfte der Arbeit wurde also bereits unbezahlt geleistet. An Gewinn wohl auch in diesem Jahr nicht zu denken.

Erfahrungsgemäß wird der meiste Gewinn schon vernichtet, bevor die erste Arbeitsstunde geleistet wird: beim Angebot. Hier wird oft unter Zeitdruck viel zu optimistisch, teilweise naiv kalkuliert oder es werden scheinbar unumgängliche, aber gefährliche Konzessionen gemacht, nur um den inhaltlich attraktiven Auftrag an Land zu ziehen.

Oft werden Projekte kalkuliert ohne, dass ein verbindliches Pflichtenheft sowie ein Projekt-Timing seitens des Auftraggebers vorliegt. Ein bindendendes Angebot abzugeben, ohne die tatsächlichen Ansprüche des Auftraggebers beziehungsweise den Leistungskatalog im Detail zu kennen, ist mehr als fahrlässig! "Scope-Creep" nennen die US-amerikanischen Kollegen dieses Gewinn vernichtende Zuwachsphänomen. Der Leistungskatalog wächst mit der Laufzeit des Projektes und damit die Auslastung der Agenturmitarbeiter, ohne, dass wir nachverhandeln könnten. (Mehr zum Thema "Scope-Creep" und wie er sich vermeiden lässt in einem anderen Beitrag später hier im Blog).

Mein Praxis-Tipp: Hinterfragen Sie jedes neue Angebot zunächst kritisch. Vergleichen Sie die Aufwandskalkulation mit vergleichbaren, bisherigen Projekten. Bestehen Sie auf ein detailliertes Pflichtenheft und ein Projekt-Timing mit den wichtigsten Milestones vom Auftraggeber und machen Sie dies zum integralen Bestandteil beziehungsweise zur Bedingung Ihres Angebots. Bedenken Sie bitte auch immer, dass fast jeder Kunde angehalten ist, Ihr Angebot zu verhandeln und kalkulieren Sie entsprechenden Spielraum ein. Von Procurement-Abteilungen wird heutzutage erwartet, dass man 15 - 20 Prozent Nachlass auf das erste Angebot herunterverhandelt!

Bevor Sie also daran denken, Ihre Stundensätze zu erhöhen und riskieren, Kunden zu verlieren, versuchen Sie zunächst, Ihren Kalkulationsprozess zu professionalisieren.

2. Was können denn Ihre Mitbewerber verlangen?
Hand aufs Herz: Wie gut können Sie einschätzen, wie Ihre Honorare im Vergleich mit Ihren Mitbewerbern abschneiden? Haben Sie ein gutes Gefühl dafür, ob Ihre Stunden- beziehungsweise Tagessätze auf Marktniveau liegen? Was verlangen andere Agenturen in Ihrem Wettbewerbsumfeld und mit vergleichbarem Angebot? Wenn Ihre Agentur zu den bekanntesten und renommiertesten im Markt gehört (Sie Glücklicher!) oder vielleicht spezialisierte Dienstleistungen in einem Nischenmarkt anbietet, dürfen Ihre Honorare auch gerne über dem Marktdurchschnitt liegen. Wenn Ihre Preise unter Marktniveau liegen, sollten Sie auf jeden Fall eine Preiserhöhung in Betracht ziehen.

Mein Tipp: Versuchen Sie sich einen realistischen Überblick zu schaffen über das Honorarniveau Ihrer Mitbewerber. Fragen Sie bei Kunden nach, zu denen Sie ein gutes Vertrauensverhältnis haben, was andere Agenturen verlangen. Fragen Sie deren Einkäufer nach Preisniveaus. Fragen Sie neue Mitarbeiter, die bei anderen Agenturen in Kalkulationen involviert waren. Fragen kostet nichts! Natürlich sollten Sie auch die Option durchspielen, Ihre Agentur durch Spezialisierung oder eine spitzere Positionierung im Markt aus dem direkten Preiswettbewerb zu befreien. Der New Business Doctor hilft Ihnen gerne dabei. Mehr zu den Vorteilen einer spitzeren, attraktiveren und entschiedeneren Positionierung lesen Sie in anderen Beiträgen in diesem Blog [hier], [hier] und [hier].

3. Gibt es vielleicht bessere Honorierungsmodelle?
Wurden die Stunden- beziehungsweise Tagessätze bereits optimiert und dem Marktniveau beziehungsweise der Nachfrage angepasst, gilt es, sich über alternative beziehungsweise das optimale Honorierungsmodell Gedanken zu machen. Die Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand zu festgesetzten, realistischen Stundensätzen wäre mein präferiertes Modell, bleibt aber leider für die meisten Agenturen ein ferner Traum.

Der Retainer, also quasi ein Festhonorar für einen definierten Leistungskatalog, aufgeteilt in monatliche Honorarraten, wäre das nächstbeste Modell, ist aber leider auch ein Auslaufmodell in der Branche, obwohl es nachweisbar für beide Seiten Vorteile bietet. Außerdem neigen Auftraggeber dazu beziehungsweise werden hierzu angehalten, möglichst viel Leistung gegen den Retainer aus der Agentur zu quetschen (siehe "Scope-Creep" weiter oben), was auch dieses Honorierungsmodell in Bezug auf Gewinnoptimierung infrage stellt.

Feste Projekthonorare sind die wohl üblichste Vergütungsform, beinhalten aber das meist leider einseitige Risiko, den tatsächlichen Aufwand bei der Kalkulation zu unterschätzen und seine Leistungen dann später nicht profitabel verkauft zu haben.


Mehr über Vergütungsmodelle erfahren Sie in meinem Post [hier], [hier], [hier], [hier], [hier] und [hier].


Bleibt noch die wertangepasste oder erfolgsabhängige Vergütung. Eine leider noch recht unübliche oder einseitig missbrauchte Honorierungsvariante, die aber erstaunlicherweise viele Vorteile bietet, für beide Seiten. Bei dieser Variante versuchen Sie kurz gesagt herauszufinden, was Ihre Dienstleistung Ihrem Auftraggeber Wert ist beziehungsweise welchen konkreten Mehrwert, Ihre Leistung auf Kundenseite erzielt. Während Sie sonst als Dienstleister jede Stunde Ihrer Mitarbeiter ja nur einmal verkaufen können und damit einen Deckel auf Ihren Gewinnaussichten setzen, lässt sich bei dieser Variante ein deutlich attraktiverer Hebel auf Ihren Beitrag zum Kundenerfolg ansetzen.

Mein Tipp: Versuchen Sie ein Gefühl dafür zu bekommen, welchen konkreten Mehrwert Ihre Leistungen für Ihren Kunden erzielen können und setzten Sie Ihre Vergütung in Relation zu diesem Mehrwert. Gar nicht auszudenken, welchen Profit das Kreativ-Team bei Young & Rubicam in Frankfurt seinerzeit hätte einfahren können, hätte man sich die geniale Idee der Lila Kuh wertangepasst vergüten lassen. So musste man sich wohl mit dem Retainer zufriedengeben, der seinerzeit in den Siebzigern sicher kaum über 20.000,- DM pro Monat lag.

Wie und zu welcher Gelegenheit Sie eine Erhöhung Ihrer Tagessätze mit Ihren Kunden besprechen, beziehungsweise wie Sie solche Erhöhungen am besten durchsetzen können, erfahren Sie im zweiten Teil dieses Beitrags [hier].


Der New Business Doctor hilft Werbeagenturen dabei, mehr lukratives Neugeschäft zu gewinnen und die nächsten Pitches souverän für sich zu entscheiden.