New Business Doctor

View Original

Warum Sie bloß nicht jeden Request-for-Proposal beantworten sollten.

Foto: Fotolia | Datei: #80992250 | Urheber: alphaspirit

[Beitrag am 19.09.2016 überarbeitet]

Geht es Ihnen auch so: Kaum liegt ein neuer Request-for-Proposal (RFP) in digitalen Eingangskörbchen der Agentur, schlägt das Herz höher und die Mundwinkel gehen automatisch nach oben. "Da findet uns ein potenzieller Kunde wohl gut!", denken Sie und sehen die Meldung in der Werbefachpresse schon vor Ihrem geistigen Auge: "Agentur gewinnt attraktiven Neukunden." Der Sommerurlaub in den USA scheint finanziert, die längst fällige Grundrenovierung der Agentur-Website wohl nun auch.

Aber Vorsicht! Nicht jede scheinbare Chance, sich um ein Projekt oder gar einen attraktiven Werbeetat zu bewerben ist auch wirklich die Zeit und weitere Ressourcen wert, die es braucht, um professionell zu antworten.

Hier sind 3 essenzielle Fragen, die Sie zuerst unbedingt mit "Ja" beantworten sollten, bevor Sie sich entscheiden, ein detailliertes Proposal einzureichen:

  1. Wollen Sie dieses Projekt wirklich?
    Gerade in schweren Zeiten, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, neigen wir alle dazu, jeden Strohalm zu ergreifen und dazu die Augen vor den nackten Tatsachen zu verschließen. Aber wollen Sie das in Aussicht gestellte Projekt wirklich machen? Ist die Aufgabe tatsächlich so spannend und attraktiv, dass Sie sich wie ein Schnitzel freuen würden, das Projekt zu gewinnen? Wären Sie wirklich stolz darauf, den Etatgewinn zu vermelden? Würde dieses Neugeschäft die Bekanntheit und das Ansehen Ihrer Agentur steigern? Und, wie sieht es mit Ihren Mitarbeitern aus, dem Pitch-Team? Hätten die wirklich alle richtig Bock darauf, für diesen Kunden auf dem Projekt zu arbeiten?

    Sich halbherzig zu bewerben ist Verschwendung von Ressourcen! Und halbherzig wurde noch selten ein Projekt gewonnen. Die Schmach, zu unterliegen wäre ein zu hoher Preis.

    Nur wenn alle im Team wirklich heiß und bereit sind, sollten Sie weitermachen und sich die nächste Frage stellen:
     
  2. Können Sie dieses Projekt wirklich?
    Nicht jeder, der will kann auch wirklich. Selbst, wenn alle heiß darauf sind, dieses spannende Projekt an Land zu ziehen, stellen Sie sich vor den Spiegel und fragen Sie sich ehrlich, ob Sie auch das Zeug dazu haben. Besitzen Sie und Ihr Team wirklich die nötige Erfahrung und die Fähigkeiten, die es braucht, das fragliche Projekt zum Erfolg zu führen? Kennen Sie sich aus, im Markt des Auftraggebers? Haben Sie ähnliche Herausforderungen schon erfolgreich gemeistert? Wären Sie überhaupt in der Lage ein Projekt dieser Größe zu stemmen? Verfügen Sie über die nötigen Talente im Team? Sind Ihre Leute versiert, in den Kommunikationskanälen, um die es voraussichtlich gehen wird? Und bleiben Sie bitte ehrlich! Die Chancen, dass mindestens einer Ihrer Mitbewerber diese implizierten Fragen des Auftraggebers selbstbewusst mit Ja beantworten kann, sind hoch.

    Natürlich wäre es fantastisch, mithilfe des in Aussicht gestellten Projektes, mangelnde Erfahrungen nachzuholen, aber schlaue Auftraggeber wollen eher selten Lehrgeld dafür bezahlen, Ihren Dienstleistern noch etwas beizubringen.

    Wenn Sie aber ohne rot zu werden sagen können: "Wir kennen den Markt und die Herausforderungen des Auftraggebers besser, als er selbst und das können und wollen wir auch beweisen.": Glückwunsch! Und weiter zu Frage 3:
     
  3. Will der Auftraggeber Sie wirklich?
    Und jetzt wird's noch schwieriger, denn hier braucht es Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Können Sie sicher sein, dass der Auftraggeber wirklich mit Ihnen arbeiten möchte oder missbraucht er Sie nur, um ein sauberes Ausschreibungsverfahren dokumentieren zu können? (Mehr zum Thema Ausschreibungen in meinem Beitrag «Wann Sie für potenzielle Neukunden die Hosen runter lassen sollen.») Kennen Sie die wirklichen Auswahlkriterien des Auftraggebers und erfüllt Ihre Agentur dieses Grundvoraussetzungen? Hat der Anfragende überhaupt die Kompetenz, eine Entscheidung treffen zu dürfen und Sie später zu beauftragen? Ist das Entscheidungsprozedere vorab bekannt? Ist es für Sie akzeptabel und transparent?

    Wenn Sie auch diese wichtige Frage für sich mit einem klaren Ja beantworten, nichts wie ran! Trommeln Sie Ihr Team zusammen! Signalisieren Sie dem Anfrager Ihr großes Interesse und legen Sie los! Viel Erfolg!

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kenne Agenturen, die beinahe wöchentlich solche Anfragen für Projektskizzen, Angebote oder Pitches bekommen. Unmöglich sich um alle angebotenen Projekte mit dem gebotenen Aufwand professionell zu bewerben. Konzentrieren Sie sich und Ihre Ressourcen auf die wirklich attraktiven und aussichtsreichen Chancen. Und lassen Sie alle anderen höflich wissen, dass Sie kein Interesse haben, als Pro-orma-Alternative zu fungieren.

Um möglichst objektiv und schnell entscheiden zu können, ob der Aufwand in einen Pitch zu gehen wirklich lohnt, empfehle ich sich eine Checkliste anzulegen. Tipps hierzu finden Sie in einer Präsentation mit dem Titel "New-Business oder Bad Business? Die ultimative New-Business-Checkliste." hier auf der Website unter der Rubrik Materialien. Wenn Sie Hilfe benötigen, bei der Erstellung einer eigenen, auf Ihre Agentur zugeschnittenen Checkliste oder wenn Sie sicherstellen wollen, den nächsten Pitch wirklich zu gewinnen, wissen Sie ja jetzt, wo Sie mich finden.

Wenn Sie an ein paar weiteren Tipps dazu interessiert sind, wie Sie Ihre Chancen erhöhen, Angebote in Aufträge zu verwandeln, empfehle ich Ihnen auch meinen Beitrag "2 essenzielle Tipps, um mehr Angebote in Aufträge zu verwandeln." [hier] sowie "4 Fragen, die Ihre Chancen, Angebote in Aufträge zu verwandeln, deutlich erhöhen werden." [hier].


Mehr rund um das Thema Ausschreibungen und Pitchvermeidung beziehungsweise -umgehung auch hier in meinen Beiträgen:


«Was bedeuten eigentlich die gängigen Abkürzungen im Rahmen von Ausschreibungen?»

«Warum Sie bloß nicht jeden Request-for-Proposal beantworten sollten.»

«Finger weg von Spec Work!»

«Wie Sie Ihren nächsten Pitch umgehen und trotzdem gewinnen?»

«Besser-Pitchen (1) – Warum es Zeit wird, für ressourcenschonendere Pitch-Alternativen.»

«Besser-Pitchen (3):Warum kein Pitch manchmal der bessere Pitch ist.»