New Business Doctor

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Der schlimmste Fehler im Kundenmanagement bei Werbeagenturen.

Urheber : Mike Willson für www.123rf.com

Erst Ende letzten Jahres arbeitete ich (ausnahmsweise mal nicht als New Business Doctor, sondern als Markenstratege) für eine der größten deutschen Marken- und Corporate-Design-Agenturen. Auch hier hat man das klassische Account-Management wegrationalisiert und dessen Aufgaben an Strategieberatung und Projektmanagement delegiert. Mit dem Ergebnis, dass sich die Strategen um ihre Strategie und die Projektmanager um ihre Projekte kümmern. Aber wer kümmert sich um die Kunden? Wer fungiert als deren Sparringspartner? Wer erkennt deren Herausforderungen und versucht, Teil der Lösung zu werden? Wer erkennt das Potenzial, dem Kunden mit sinnvollen zusätzlichen Agenturleistungen unter die Arme zu greifen?

Nun möchte ich weder die Notwendigkeit von smarten Strategen noch die Unverzichtbarkeit organisierter Projektmanager in Agenturen anzweifeln, noch deren Professionalität und Kompetenz in Frage stellen. Im Gegenteil, jede Berufsgruppe für sich hat ihre Berechtigung und leistet einen wertvollen Beitrag, damit Agenturen überhaupt professionelle Lösungen bereitstellen können. Aber ich möchte hier ausdrücklich auf die Gefahren hinweisen, die drohen, wenn man diesen Spezialisten das Kundenmanagement überlässt.

In diesem Beitrag möchte ich kurz erklären, warum ich es für eine fatale Fehlentscheidung halte, das Kundenmanagement den Projektmanagern zu überlassen und aufzeigen, wie man sich vor vermeidbaren Risiken bewahrt.

Die Unsitte, Projekmanagern die alleinige Verantwortung für die Kundenbeziehung zu überlassen, hat sich bei vielen Agenturen erst in den letzten Jahren eingeschlichen. Wahrscheinlich vor dem Hintergrund immer schwierigerer Honorarverhandlungen haben viele Agenturen, die teureren, aber in der Regel besser ausgebildeten Account-Manager oder Account-Direktoren durch günstigere, aber auch meist juniorere Projekmanager ersetzt. Aber während es die wichtigste Aufgabe der Account-Manager alter Schule war, ihre Kunden glücklich zu machen, sie fester an die Agentur zu binden und das Geschäft mit diesen Kunden nachhaltig auszubauen, arbeiten und denken Projektmanager in der Regel Prozess- (und selten Kunden-) orientiert. Ihr Ziel ist es, bestimmte Projekte in einem gegebenen Zeit- und Kostenrahmen optimal umzusetzen. Projektmanager sind prozessverliebte Abwickler, keine Unternehmer, keine Kundenversteher und schon gar keine Kundenbeziehungsmanager.

Die Resultate dieser fatalen Fehlentscheidung:

Geschäftschancen werden nicht frühzeitig erkannt.
Gute Account-Manager kennen sich mit dem Markt, den Zielgruppen und dem Geschäftsmodell der Kunden in der Regel sehr gut aus. Sie tauschen sich auf Augenhöhe mit ihrem Ansprechpartner im Marketing aus, erkennen frühzeitig Herausforderungen, für die die Agentur Lösungen anbieten kann und sorgen so für Neugeschäftschancen bei Bestandskunden. Projektmanagern fehlt in der Regel dieses wichtige Wissen über die unternehmerischen Herausforderungen ihrer Kunden und das Gespür für Business-Oportunities. Sind sie doch meist viel zu sehr mit den operativen und logistischen Herausforderungen ihrer Projekte beschäftigt.

Lukrative Up- und Cross-Selling-Chancen werden vertan
Gleiches gilt für das aktive Verkaufen von Mehr- und Zusatzleistungen, auf das gute Account-Manager trainiert sind. Schließlich wird ihr Erfolg auch daran gemessen, wie gut es ihnen gelingt das Geschäft mit Bestandskunden auszubauen. Für den durchschnittlichen Projektmanager bedeutet jedes neue Projekt einfach erst einmal zusätzliche Verantwortung und Mehrarbeit. Vor dem Hintergrund der ständig steigenden Arbeitsbelastung in Agenturen für viele ein Albtraum-Szenario, dass es tunlichts zu vermeiden gilt. Lesen Sie hierzu auch meinen Post «Ihr bester Neugeschäftsjäger ist schon täglich am Kunden.» oder buchen Sie das Training «Neugeschäft aus alten Kunden.» meiner Kontakterschule.

Potenziale für Kundenunzufriedenheit werden zu spät erkannt und wichtige Kunden gehen verloren.
Gute Account-Manager nutzen Feedback-Mechanismen um über die Kundenzufriedenheit auf dem Laufenden zu sein und mögliche Gründe für Unzufriedenheit zu frühzeitig zu identifizieren und schnell abzustellen. Schließlich liegt es in ihrer Verantwortung, Kunden fest an die Agentur zu binden. Projektmanager sind meist blind und taub, was die oft subtilen Anzeichen für Kundenunzufriedenheit betrifft. Sie gehen davon aus, dass termingerechtes Liefern der bestellten Leistung allein schon ausreicht, um Kunden zufrieden zu stellen.

Die Agentur wird vom weitsichtigen Berater mit Überblick zum zuverlässigen Umsetzer und verzichtet so auf Premiumhonorare.
Projektmanager werden von Kunden geschätzt, wenn Sie zuverlässig dafür sorgen, dass Projekte reibungslos und termingerecht umgesetzt werden. Aber als Berater beziehungsweise Sparringspartner auf Augenhöhe nimmt man sie eher selten wahr. Überlässt man den Kundenkontakt dem Projektmanagement, wird die Agentur schnell vom ehemals geschätzten Businesspartner mit Standing zum Abwickler, vom Berater zum Auftragnehmer, vom Architekten zum Fliesenleger im Keller. Dass man vermeintlich austauschbare Handwerksleistung geringer vergütet, als kompetente Beratung ist wohl selbsterklärend.

Word-of-Mouth-Potenziale werden nicht abgerufen, New-Business-Chancen werden nicht genutzt.
Während Projektmanager alle Hände voll damit zu tun haben, laufende Projekte abzuwickeln, erkennen erfahrene Berater die Chance und den richtigen Zeitpunkt, zufriedene Kunden zu Multiplikatoren für die Agentur zu machen. Sie motivieren ihre Kunden dazu, die Agentur weiter zu empfehlen und helfen dabei, Erfolgs-Cases zu publizieren. Word-of-Mouth ist und bleibt die effektivste Quelle für attraktives Neugeschäft.

Effektives Kundenmanagement erfordert ausnahmslos trainierte Spezialisten. Und dieser Job gehört zu den schwierigsten und anspruchvollsten in der Agentur. Wer – wie ich – richtig gute Account-Manager oder Account-Directors erleben durfte, weiß welchen wichtigen Beitrag diese Kundenversteher für das gesunde Wachstum einer Agentur leisten können. Die Art, wie sie selbst mutige Ideen verkaufen können, wie sie ihrem Kunden das gute Gefühl und die Sicherheit geben, bei der Agentur in den richtigen Händen zu sein, wie sie die nötigen Informationen besorgen und für die Kreativen aufbereiten, wie sie zwischen den Zeilen lesen können und genau wissen, wann Rückgrat und wann temporärer Rückzug angesagt sind. Das sind die Spezialisten, die an die Kundenfront gehören.

Projektmanager gehören in die zweite Reihe. Sie müssen das Account-Management von den operativen Aufgaben entlasten, damit sich diese (leider) teureren Kundenprofis voll und ganz auf ihre Kunden und das Business-Development aus Bestandskunden konzentrieren können. Allerdings sollten die Projektmanager nicht zu persönlichen Assistenten der Kundenmanager mutieren, sondern sich - wie früher die Trafficer in den alten Agenturen - in einer Serviceabteilung zusammentun, und sich austauschen und gegenseitig unterstützen.

Hatte ich erwähnt, dass sich oben genannte Marken- und Corporate-Design-Agentur beinahe um ein lukratives Ad-on-Business im sechsstelligen Honorarbereich gebracht hätte, wäre da nicht ein alter Kundenmanagement-Haudegen, der die Up-Selling-Chance frühzeitig erkannt und das Zusatzprojekt an Land gezogen hat. Übrigens sehr zum Leidwesen des stressgeplagten Projektmanagers, der mich danach keines Blickes mehr würdigte.