Besser-Pitchen (12): So macht man das – Best Practice im Pitch
Erinnern Sie sich noch an den "Skandal-Pitch" von Deichmann? "2012 hatte Deichmann rund 20 Agenturen (!) in einem Schreiben dazu aufgefordert, kreative Kampagnenideen zum anstehenden Firmenjubiläum beizusteuern ...", so das Werbefachblatt W&V. In der Agenturszene hatte dieser "Pitch" unter anderem deshalb Empörung hervorgerufen, weil es weder ein Briefing gab noch Angaben zum Budget gemacht wurden und weil Deichmann wohl überhaupt nicht die Absicht hatte, mit der Siegeragentur eine ernsthafte Partnerschaft einzugehen. Beim Essener Schuhfilialist standen wohl übertrieben hohen Ansprüchen an die möglichst kostenlose Vorleistung von Agenturen dem Wunsch nach minimalem Investment auf Auftraggeberseite entgegen. Und mit "minimalem Investment" meine ich, sich vor der Zahlung eines angemessenen Pitch-Honorar zu drücken, den Pitch mit einem unaufwendig zusammenkopierten, schnellen Briefing zu straten und unter weitgehender Vermeidung von Agenturkontakt zügig hinter sich zu bringen.
Schnell werden Markenartikler auf Agentursuche, die sich um angemessene Pitch-Honorare drücken, keine oder halbschare Briefings verschicken, Entscheidungsprozesse bewusst intransparent halten oder unnötig lange hinziehen, mit realitätsfremden Budgets locken, die ohnehin unverschämt hohe Zahl der Bewerber bewusst verschleiern, um dann zur Krönung, die alte Agentur ein paar Ideen der Pitch-Teilnehmer umsetzen zu lassen, schneller, als Ihnen lieb ist, zu schwarzen Schafen in der Branche. Angeprangert als Schmarotzer und Agenturausbeuter, um die man künftig lieber einen großen Bogen. Word-of-Mouth funktioniert perfekt und schnell unter Agenturgeschäftsführer und in der Marketingbranche. Und einen schlechten Ruf braucht und will doch keiner.
Lesen Sie hierzu auch meinem Post "Pitchblog prangert schwarze Schafe unter den Werbetreibenden an."
Heute und hier möchte ich, quasi als krönenden Abschluss meiner Beitragsreihe über die verschiedensten alternativen Formen von Pitches, noch ein paar Tipps zu Ethik und gutem Verhalten bei Pitches loswerden. Falls Sie die anderen Beiträge verpasst haben, finden Sie am Ende dieses Beitrags eine vollständige Liste mit entsprechenden Links.
"Predige als Kunde keine Fairness zu deinen Agenturpartnern – lebe sie!"
und
"Jeder Kunde bekommt die Agenturen, die er verdient – meistens jedenfalls."
Uwe Storch, stellvertretender Vorsitzender der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) und Head of Media Ferrero Deutschland Organisation
Deswegen heute hier die aus meiner Sicht wichtigsten Werte, die man berücksichtigen sollte, wenn man in den Pitch zieht:
1. Fairness
Der erste Grundsatz zur Fairness ist, dass für alle teilnehmenden Agenturen unbedingt die gleichen Bedingungen gelten müssen. Das gilt natürlich auch für die noch amtierende Agentur, sofern sie sich denn am Pitch beteiligen darf beziehungsweise möchte. Um dies zu gewährleisten, sollte die Kommunikation mit den Kandidaten soweit wie möglich schriftlich stattfinden, Meetings unbedingt schriftlich nachgearbeitet werden. Sonderwünsche oder Antworten auf individuelle Fragen eines Kandidaten müssen auch allen anderen Pitch-Teilnehmern zugestanden beziehungsweise zugänglich gemacht werden.
Auch wenn potenzielle Nachzügler noch so betteln, verzichten Sie bitte darauf, weitere Agenturen nachzunominieren, sobald die Shortlist steht und kommuniziert wurde. Die Anzahl der Mitbewerber ist eines der wichtigsten Entscheidungskriterien für eine Pitch-Teilnahme bei Agenturen. Eine Veränderung wichtiger Parameter kann Absagen beziehungsweise den Ausstieg von Agenturen zur Folge haben.
Geben Sie den pitchenden Agenturen ausreichend Zeit, sich in das Thema einzuarbeiten und Lösungen entwickeln zu können. Bedenken Sie, ein Pitch muss meist neben der bezahlten Arbeit für Bestandskunden geschultert werden. Die zur Verfügung stehende Arbeitszeit ist also begrenzt.
Planen Sie ausreichend Zeit ein, Fragen der Kandidaten beantworten zu können. Je besser die Agenturen die Herausforderung / Aufgabe verstehen, desto größer die Chance auf gute Lösungen.
Sollten Sie bereits im Laufe des Pitch-Prozess zu der Erkenntnis kommen, dass der eine oder andere Kandidat nicht zu Ihnen passt oder aus Gründen chancenlos scheint, informieren Sie ihn zeitnah. Ersparen Sie der Agentur und sich weitere Mühen und nehmen Sie den Kandidaten sofort aus dem Pitch.
Passen Sie das Pitchverfahren und den Kandidatenkreis bitte dem Umfang der späteren Zusammenarbeit an. Für ein letztlich überschaubares und zeitlich begrenztes Projekt, reicht es im Allgemeinen aus, zwei bis drei Kandidaten in zum Beispiel einen Chemistry- oder Tissue-Pitch gegeneinander antreten zu lassen. Kommunizieren Sie fair und offen, was sich die neue Agentur realistisch an Aufgaben und Honorar versprechen kann und wie lange Sie sich binden möchten.
Treffen und kommunizieren Sie Ihre Entscheidung zeitnah nach der finalen Pitch-Präsentation. Falls Sie sich vorbehalten, potenzielle Lösungen in einen Pre-Test auf Chancen abzuklopfen, bevor Sie sich entscheiden, kommunizieren Sie das bitte an die Agenturen.
Geben Sie konstruktives Feedback. Die pitchenden Agenturen investieren viel und haben ein Recht darauf, Entscheidungen nachvollziehen und aus möglichen Fehlern lernen zu können.
2. Transparenz
Transparenz beginnt mit dem Entscheidungsprozess. Als Werbungtreibender sollten sie absolut offen legen, wer wann und nach welchen Kriterien entscheiden wird. Die jeweiligen Ziele jedes Agentur-Meetings sollten klar kommuniziert werden. (Anregungen zu potenziellen Zielen der einzelnen Pitch-Meetings finden Sie hier auf meiner Website in der Rubrik Materialien.)
Transparenz bedeutet auch, den potenziellen Teilnehmern klar zu kommunizieren, unter welchen Rahmenbedingungen der Pitch stattfinden wird: Art des Pitches, maximale Teilnehmerzahl, Zeitrahmen und Milestones, Vergütung etc.
Sprechen Sie mit den Kandidaten offen und verständlich über Ihre Erwartungen, formulieren Sie Ihre Ziele klar und messbar.
3. Anerkennung
Die pitchenden Agenturen investieren in der Regel erhebliche Ressourcen in einen Full-Size-Pitch, nur im Hinblick auf die wage Aussicht, Sie als neuen Kunden gewinnen zu können und meist ohne adäquate Honorierung der Leistungen. Behandeln Sie daher Ihre potenziellen künftigen Partner mit dem nötigen Respekt. Anerkennen Sie die Agenturvorleistung mit einem angemessenen Pitch-Honorar.
4. Respekt
Respektieren Sie die urheberrechtlich geschützten Leistungen der unterliegenden Agenturen. Als Werbungtreibender haben Sie sich für einen anderen künftigen Partner entschieden. Vertrauen Sie auf dessen Kreativität und Lösungskompetenz.
Falls sich eine Shortlist-Agentur entscheidet, nicht am Pitch teilzunehmen oder während des Pitches auszusteigen, respektieren Sie diese unternehmerische Entscheidung, die auch der Agentur sicher nicht leicht gefallen ist.
5. Professionalität
Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Ein Pitch bindet erhebliche Ressourcen beim Werbungtreibenden, aber auch bei den teilnehmenden Agenturen. Deswegen schulden Sie sich und den Agenturen eine absolut professionelle Planung und Umsetzung des Selektionsprozess. (Falls Sie wenig Erfahrung mit Pitches oder zu wenig Zeit für dessen Planung und Steuerung haben, holen Sie sich einen kompetenten und erfahrenen Pitch-Berater zur Seite. Ich wüsste da schon einen.)
6. Diskretion
Damit potenzielle Agenturpartner informierte Lösungen erarbeiten können, ist es häufig unerlässlich, dass im Rahmen des Briefings auch Informationen weitergegeben werden müssen, die vertraulichen Charakter haben. Es ist daher ratsam, die Agenturen (aus der Shortlist) eine Vertraulichkeitsvereinbarung oder Non Disclosure Agreement (NDA) unterschreiben zu lassen.
In der Regel sind weder Werbungtreibende noch am Pitch beteiligte Agenturen übermäßig daran interessiert, dass der Pitch in der Branche publik wird. Der Werbungtreibende, weil er sich nach dem Leak der Informationen vermutlich kaum noch retten könnte, vor Anrufen und Avancen interessierter Agenturen, die pitchenden Agenturen, weil man im Falle des Ausscheidens, nicht möchte, dass diese vermeintliche Schlappe publik würde. Vereinbaren Sie deshalb gegenseitiges Stillschweigen im Rahmen des NDA.
Ganz unabhängig davon, für welche Art des Pitches Sie sich letztlich entscheiden, wie fast überall im Leben gibt es gewisse Grundregeln oder besser Anstandsregeln, an die man sich unbedingt halten sollte, als Werbungtreibender auf Agentursuche und als Agentur, die zum Pitch aufgefordert ist. Schließlich sieht man sich ja bekanntlich immer mindestens zwei Mal im Berufsleben und hat man einen Ruf zu verlieren, als Werbungtreibender wie als Agentur. Wer als Werbungtreibender diese Best-Practice-Regeln beachtet, kann sicher sein, hoch motivierte Agenturen im Pitch zu wissen und läuft keine Gefahr, auf einer der agenturbrancheninternen Blacklists für schwarze Pitch-Schafe zu landen.
In den vorangegangenen 11 Beiträgen habe ich mich hauptsächlich mit dem eigentlichen Pitch beschäftigt und Ihnen, neben dem klassischen Full-Size-Pitch, sieben weitere alternative, für Sie vielleicht neue Pitch-Arten vorgestellt, die Werbungtreibenden wie Agenturen dabei helfen können, wertvolle Ressourcen, wie Zeit, Manpower und Geld zu sparen.
Die Inhalte meiner 12 Beiträge zum Thema "Besser-Pitchen" gibt es jetzt auch als kompaktes White Paper bei Slideshare.