Die magische E-Mail an tot geglaubte, potenzielle Neukunden.
Keine 5 Minuten nachdem ich die "Magic Mail" abgeschickt hatte, klingelt das Telefon und ich spreche mit einem potenziellen Kunden, der sich schon über 9 Monate tot gestellt hatte.
In einem Post "Was tun, wenn sich Marketingentscheider einfach tot stellen." aus dem September habe ich Ihnen ja schon ein paar Ratschläge zuteilwerden lassen, wie Sie versuchen können, scheinbar eingeschlafene potenzielle Kunden wieder zu reanimieren. In diesem Beitrag finden Sie auch eine schöne Infografik, mit potenziellen Strategien hierzu.
Nun las ich gerade die Tage einen Blog-Beitrag meines englischen Kollegen Blair Enns mit dem verheißungsvollen Titel "The Magic Mail", in dem er den Text für eine E-Mail vorschlägt, die man an tot geglaubte potenzielle Neukunden versenden soll. Und bevor ich meinen Lesern diese Empfehlung ungeprüft weitergebe, wollte ich diese vermeintliche Zauber-E-Mail natürlich selbst einmal ausprobieren. Und was passiert? Es funktioniert (siehe oben)!
Das erste Quartal ist – was New-Business angeht - ja immer ein wenig zäh. Kunden auf Agentursuche hatten meist unter Zeitdruck die neuen Verträge noch vor Beginn der Weihnachtsferien unter Dach und Fach gebracht und so sind die ersten Wochen des neuen Jahres ja immer so eine Zeit, wo die Neugeschäftsverantwortlichen in Agenturen die Listen der noch "lauwarmen" Kontakte durchgehen, um zu sehen, wen man vielleicht ein Stückchen näher an in Richtung Auftrag bewegen könnte.
Aber wie soll man vorgehen? Wird der potenzielle Neukunde nicht glauben, man habe es wohl bitter nötig, wenn man schon wieder Kontakt aufnimmt, obwohl die andere Seite doch wohl glaubt, durch ihr Schweigen kein oder geringes Interesse signalisiert zu haben? Wäre es nicht viel besser, sich souverän zu zeigen, so zu tun, als habe man dieses Neugeschäft eigentlich gar nicht nötig und abzuwarten, ob der Kandidat von sich aus auf die Agentur zukommt? Aber wird der potenzielle Neukunde dann nicht denken, wir wären gar nicht heiß genug, auf sein Projekt und von uns unbemerkt nach alternativen Dienstleistern Ausschau halten?
Meine ernst- und gut gemeinte Empfehlung an Sie ist wahrscheinlich genau das Gegenteil von dem, was Sie jetzt instinktiv tun beziehungsweise schreiben möchten. Widerstehen Sie! Senden Sie jetzt bloß keine überfreundliche E-Mail mit verständnisvollen Worten zu dem offensichtlichen Fehlverhalten ihres sich tot stellenden potenziellen Neukunden. Schreiben Sie auch nicht, in der Hoffnung darauf, nun eine Zusage oder zumindest einen neuen Termin zu erhalten. Erwarten Sie keine Reaktion. Ihre Strategie ist es zunächst, alle Hoffnungen zu begraben, Ihren Frieden zu machen mit negativen Emotionen, Selbstzweifel beiseitezuschieben und Ihren potenziellen Neukunden in Frieden ziehen zu lassen.
Und hier kommt er, der erstaunlich simple Vorschlag für Ihre "Magic Mail" und was Sie sich als Reaktion davon erwarten dürfen:
Suchen Sie die letzte E-Mail an den potenziellen Kunden im Verlauf Ihres E-Mail-Archivs und klicken Sie den "Antworten"-Button. Ändern Sie das Betreff in "Abschließen" und kopieren Sie folgenden Text in Ihre E-Mail:
Sehr geehrter Herr [Mustermann],
nun habe ich schon länger nichts mehr gehört von Ihnen in Sachen [Muster]projekt. Deswegen gehe ich davon aus, dass Sie sich entweder anderweitig orientiert oder sich Ihre Prioritäten verschoben haben.
Bitte lassen Sie es mich wissen, falls wir Ihnen künftig behilflich sein können.
Mit freundlichen Grüßen!
[Ihr Name]
Das war's! Mehr nicht.
Was Sie Ihrem Vogelstrauß-mimenden, potenziellen Neukunden hier eigentlich kommunizieren ist: "Ich kann sehr wohl zwischen den Zeilen lesen. Sie haben vermutlich entschieden, nicht mit uns zusammenzuarbeiten. Keine Ressentiments. So ist Business. Sie dürfen mich jederzeit wieder kontaktieren, falls Sie es sich anders überlegen."
Was Sie mit dieser E-Mail bewirken ist,
(1.) dass Sie dem potenziellen Neukunden das eventuell vorhandene schlechte Gewissen nehmen und ihn einladen, jederzeit wieder Kontakt zu Ihnen aufzunehmen,
(2.) dass Sie sich selbstbewusst präsentieren und jeden falschen Eindruck von Bedürftigkeit oder Abhängigkeit vermeiden,
(3.) dass Sie bewusst auf jegliche vorgetäuschte Höflichkeitsfloskel verzichten ("Sicher haben Sie momentan viel auf dem Zettel..." etc.) und stattdessen konsequent professionell kommunizieren,
(4.) dass Sie sich selbst den nötigen Seelenfrieden schenken, ein New-Business-Projekt abgeschlossen zu haben, auch wenn nicht immer mit dem erhofften Ergebnis.
Was können Sie als Reaktion erwarten?
1. Danke, aber nein Danke!
"Ich wollte mich ohnehin die Tage bei Ihnen gemeldet haben. Zugegeben, wir haben uns in der Zwischenzeit für eine andere Agentur entschieden, die einfach günstiger war. Aber so ist das Geschäft halt. Ich bin froh, dass Sie Verständnis dafür haben."
In diesem Fall war der Käs' schon gegessen beziehungsweise der Drops längst gelutscht (Entschuldigung, aber ich liebe diese anschaulichen Redewendungen). Man hatte wohl nur vergessen oder sich davor gedrückt, Sie darüber in Kenntnis zu setzen. Aber die gute Nachricht ist: Sie brauchen hier keine Energie mehr verschwenden und können sich voll und ganz auf andere, vielversprechendere Neugeschäftschancen konzentrieren.
2. Halt, warten Sie!
"Sorry, aber wir hatten gerade zu viel auf dem Zettel, um uns diesem wichtigen Projekt zu widmen! Ich verspreche, mich in den nächsten Tagen mit den betreffenden Kollegen abzustimmen und mich danach zeitnah bei Ihnen zu melden."
Bingo! Genau die Reaktion, auf die Sie gehofft haben. Ihre implizierte Drohung, sich zurückzuziehen, hat Wirkung entfaltet und den Entscheidungsprozess vorangetrieben. Für den potenziellen Neukunden haben Sie sich mit nur einer Mail vom nervigen Raubritter zum begehrenswerten Lösungspartner gewandelt. Jetzt haben Sie Oberwasser und Ihr Lead ein schlechtes Gewissen.
3. Still ruht der See.
Die unwahrscheinlichste Reaktion ist gar keine Reaktion. Schließlich haben Sie sich erneut in Erinnerung gebracht und mögliche emotionale Barrieren beseitigt, wieder Kontakt aufzunehmen und mit einer kurzen Antwort-E-Mail Dinge abzuschließen und genau den Streß zu vermeiden, den laut Produktivitätsguru David Allen zu viele unerledigte Projekte erzeugen.
In meinem CRM-System hatten sich über die Jahre fast 100 solcher Nichtreagierer angesammelt, die meine To-Do-Liste auf bedrohliche Ausmaße verlängerten. Nachdem ich an alle die magische E-Mail versandt hatte konnte ich cirka 2 Drittel der To-dos endgültig abhaken und behielt ein Drittel aufgewärmter Leads, die ich nun den Sales-Funnel ein gutes Stück weiter in Richtung Auftrag bewegen konnte. Ein herrliches Gefühl. Gehen Sie doch auch gleich einmal Ihre "Warten auf"-Liste durch, verschicken Sie an alle die magische E-Mail und warten Sie ab, was passiert.