New Business Doctor

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Dr. Jekyll und Mr. Hyde? Wie hätten Sie Ihren Kunden denn gerne?

Foto: Felix Russell-Saw für www.unsplash.com

Als New Business Doctor hatte ich diese Woche ein merkwürdiges Erlebnis, das mich zu diesem Post motiviert hat:

Eine Agentur bat mich um Unterstützung bei einem Pitch um ein neues Projekt für einen Kunden, den diese Agentur schon eine Zeit lang betreute und offensichtlich sehr schätzte. Beschrieb man seinen Auftraggeber doch als respektvoll, offen für ungewöhnliche Lösungen, mutig und fair, was die Honorierung angehe. Das merkwürdige daran war, dass eine andere Agentur, der ich schon vor Jahren dabei geholfen hatte, exakt diesen Kunden zu gewinnen, sich in letzter Zeit immer wieder darüber beschwert hatte, wie ignorant derselbe Werbungtreibende gegenüber innovativen, mutigen Lösungsvorschlägen sei, wie respektlos er teilweise mit den Agenturmitarbeitern umgehe und wie er die Agentur immer wieder erpresse, um möglichst wenig zahlen zu müssen, für die vermeintlich gute Leistung der Agentur.

Sprachen diese Agenturen wirklich vom selben Auftraggeber? Und wie kann es sein, dass sich derselbe Werbungtreibende offensichtlich so unterschiedlich verhielt, gegenüber seinen Dienstleistern?

In diesem Beitrag möchte ich erklären, warum manchmal ein und derselbe Auftraggeber verschiedene Dienstleister unterschiedlich behandelt und was man als Kreativdienstleister dazu beitragen kann, genau dieses Verhalten zu seinen Gunsten zu steuern.

Hier zunächst einmal ein paar Hypothesen dazu, warum oben beschriebener werbungtreibende seine Agenturen offensichtlich völlig unterschiedlich behandelte:

1. Der Kunde misst seine Agenturen an ihren Versprechen.
Over-promissing und Under-performing ist der Tod für jede respektvolle Kunde-Agenturbeziehung. Analysieren Sie Ihre Akquisemittel (zum Beispiel Ihre Website und Ihre Credential-Präsentation) immer wieder mal kritisch daraufhin, was Sie dort eigentlich alles versprechen. Nichts ist schlimmer, als Versprechen abzugeben, die Ihre Agentur beziehungsweise Ihre Mitarbeiter hinterher nicht halten können. Und nichts ist sympathischer, als ein wenig Understatement. Kein Kunde erwartet, dass jede Agentur alles perfekt können muss. Und jeder Kunde lässt sich gerne positiv überraschen, wenn seine Erwartungshaltung von seiner Agentur übertroffen wird.

2. Der Kunde behandelt jede seiner Agentur, wie sie es zulässt.
Haben Ihre devoten Machen-wir-Ihnen-Kundenberater erst einmal damit begonnen, von Berater auf Dienstleistermodus umzuschalten und sich darauf konzentriert, es dem Kunden möglichst recht zu machen, driftet Ihr Ansehen beim Werbungtreibenden unaufhaltsam in den Keller. Sie mutieren, um mal einen meiner früheren Agenturchefs zu zitieren, vom Architekten des Hauses zum Fliesenleger im feuchten Untergeschoss. Und werden konsequenterweise auch so behandelt. Wer aus Angst, den Kunden zu verlieren aufhört, für die richtige Lösung zu kämpfen und stattdessen, die einfache, leicht verdauliche Lösung verkauft, muss sich weder wundern, noch beschweren, dass man seine Agentur, wie einen Handlanger behandelt.

3. Die einen verkaufen ihre strategischen Gedanken, die anderen ihre Arbeit.
Da Sie schon einige Jahre im Agentur-Business sind, darf man wohl davon ausgehen, dass Sie in der Regel gute Arbeit abliefern, kompetente Mitarbeiter beschäftigen und wissen, was Sie tun. Aber das können viele andere Agenturen eben auch. Was den Unterschied machen kann, sind neue, innovative Erkenntnisse über relevante Business-Probleme Ihrer Kunden, sind kreative, innovative und effektive Strategien und Lösungen, die Ihren Kunden helfen, wichtige Herausforderungen zu meistern. Das erlaubt ihnen Pitches zu gewinnen, Kunden zu binden und angemessene Honorare durchzusetzen. Die Umsetzung und das Projektmanagement müssen funktionieren, sonst riskieren Sie Kundenunzufriedenheit, aber das liefern die meisten Ihrer Mitbewerber halt auch.

4. Die einen kalkulieren, um den Job zu bekommen, die anderen, um Profit zu machen.
Wenn Sie Preise verhandeln, mit dem alleinigen Ziel den Auftrag an Land zu ziehen, «riechen» Ihre Kunden das und nutzen Ihre spürbare Verzweiflung, um bessere Konditionen durchzusetzen. Noch schlimmer, man wird Ihre Agentur in die Schublade der billigen Lösung für eher anspruchslose Aufgaben stecken. Anspruchsvollere Projekte wandern dann in die Hände der teureren vermeintlichen «Spezialisten». Agenturen, die das Rückgrat haben, Premium-Preise aufzurufen und intelligent und mutig durchzusetzen. Die, die auch mal auf einen Job verzichten, wenn das Budget des Kunden nicht adäquat erscheint.

5. Die eine Agentur führt ihre Kunden, die andere bedient sie.
Seine Kunden zu führen bedeutet deren Geschäft und deren Herausforderungen zu verstehen, Empathie zu entwickeln und vorausschauend zu agieren und flexibel zu bleiben. Auftragnehmer überlassen es ihren Kunden, das Auftragsverhältnis zu bestimmen und warten auf Anweisungen. Deren Kundenbeziehung ist eher schlicht, auch wenn der Kunde eigentlich eher anspruchsvoll ist. Die besten Kunden-Agentur-Beziehungen beruhen bilateral auf Vertrauen und Wertschätzung. Und die muss man sich als Agentur täglich neu verdienen.

Mein Learning: Sie haben es in der Hand, wie sich Ihre Kunden gegenüber Ihrer Agentur verhalten und das ist abhängig davon, wie man Sie dort wahrnimmt. Nehmen Sie Haltung an, ohne arrogant zu werden und verkaufen Sie sich nicht unter Wert. Dann werden auch Sie künftig zu den Agenturen gehören, die sich über respektvolle, offene, mutige und faire Auftraggeber freuen können.