New Business Doctor

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Warum Kennenlernmeetings ein wirklich gutes Drehbuch brauchen.

Foto:  Hendrik-Jan Kornelis bei www.123rf.com

«Als nächsten Schritt möchte ich Sie bitten, mit ein paar ersten Vorschlägen wiederzukommen, die mir zeigen, wie unsere neue Kampagne aussehen könnte.»

Der Marketingleiter teilte uns hier also höflich, aber durchaus bestimmt mit, wie er sich den nächsten Schritt hin auf eine mögliche Zusammenarbeit mit unserer Agentur so vorstellte. Und obwohl der Prospect ja noch längst kein zahlender Kunde unserer Agentur war, schien er davon auszugehen, dass es für beide Seiten absolut Sinn machen würde, dass wir – eine seiner möglichen künftigen Agenturpartner – nun flink damit beginnen, honorarfrei Ideen auszuarbeiten und sie ihm im nächsten Schritt kostenfrei und unverbindlich zu präsentieren.

Ich sah das anders an dem Tag. Und so hörte ich mich genauso freundlich und bestimmt, und wie aus der Pistole geschossen antworten: «Das machen wir nicht. Wir arbeiten niemals honorarfrei Ideen aus.» Aber das war natürlich gelogen. Wir hatten schon häufig an kostenlosen oder zumindest unterbezahlten Pitches teilgenommen, aber wir waren es gründlich satt. Und ich wollte an diesem Tag einfach mal sehen, was passiert, wenn wir trotzig ablehnten, was ja wohl unser gutes Recht war. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war mein damaliger Chef. Extra zu diesem Meeting angereist, saß er direkt neben mir und ich hörte ihn – auch, wie aus der Pistole – parallel zu mir sagen: «Das klingt gut. So machen wir das.»

In diesem Beitrag plädiert der New Business Doctor dafür, sich ganz genau zu überlegen, welchem vermeintlichen New Business man nachjagt und welchem vielleicht lieber nicht und dafür, solche Meetings minutiös vorzubereiten.

Nun ist diese Geschichte schon eine ganze Weile her und ich erinnere nicht wirklich, was in diesem peinlichen Moment als Nächstes geschah. Erinnern tue ich, dass wir alle drei einen viel zu langen Moment lang schweigend Blicke wechselten und daran, wie sehr mein Chef und ich anschließend darum bemüht waren, uns irgendwie aus der Affäre zu ziehen, ohne unser Gesicht zu verlieren. Und ich erinnere mich auch daran, dass uns dieser Kunde, obwohl wir ihm den Gefallen taten und ein paar Wochen später kostenlose und trotzdem ganz gute Ideen präsentieren, niemals einen Auftrag gab. Ich glaube mich sogar zu erinnern, dass er damals überhaupt keine Agentur beauftragte.

Ein Paradebeispiel für einen überengagierten New Business Verantwortlichen (ich), der die wahren Absichten des potenziellen Neukunden nicht durchschaute und einen Agentur CEO, der sich die Zeit genommen hatte, für das Meeting (dass eigentlich nie hätte stattfinden sollen)  zum Kunden zu fliegen und nun verzweifelt versuchte, seinen Aufwand irgendwie wieder reinzuholen.

Auch wenn ich nicht mehr wirklich erinnere, was wir beiden auf unserem Rückflug (oder sollte ich besser Rückzug schreiben?) genau besprachen, es gab gottseidank keine Spannungen. Ich glaube sogar, er hatte Sympathien für meinen selbstbewussten Vorstoß, hätte aber gerne vor dem Meeting gewusst, wie wir als Agentur auf solch eine erwartbare Bitte des Kunden reagieren wollen. Dabei hätte ich es ihm damals gar nicht sagen können. Mein spontaner Vorstoß war wohl einfach einer Emotion geschuldet. Dem unguten Gefühl, mal wieder missbraucht zu werden, von einem potenziellen Kunden, der damals wahrscheinlich noch nicht einmal wusste, ob er überhaupt die Hilfe einer Agentur in Anspruch nehmen wollte.

Wenn ich nun im Nachhinein sagen sollte, was schief gelaufen ist, an diesem denkwürdigen Tag, würde ich analysieren:

1. Der potenzielle Kunde hatte mir gegenüber im Vorfeld des Meetings noch gar nicht wirklich erklärt, dass und warum er einen Agenturpartner brauchte, um ein für ihn wichtiges und dringliches Marketingproblem zu lösen. Auch hatte er nicht erläutert, wie sein Entscheidungsprozess konkret ablaufen sollte und welches Budget, er für das anvisierte Projekt zur Verfügung stellen würde. Aber ich hatte dämlicherweise ja auch nicht danach gefragt. Also verschwendete ich die Zeit und die Reisekosten meines Bosses, um ihn zu einem schlecht vorbereiteten Meeting einzuladen, zu einem möglichen Neukunden, dessen potenziellen Wert ich noch überhaupt nicht einschätzen konnte. Und so saßen damals 2 Führungskräfte der Agentur vor dem Schreibtisch des potenziellen Kunden, der sich wohl dachte: «Die Jungs scheinen meinen Auftrag ja wirklich dringend zu wollen. Was sollte sie dann daran hindern, mir mal ein paar kostenlose Ideen zu entwickeln?»

2. Wir haben die Führung des Meetings komplett dem Kunden überlassen und saßen ihm wohl gegenüber, wie die Eichhörnchen vor der Schlange, wie man so sagt. Und so manipulierte er uns in eine Ecke, auf die wir überhaupt nicht scharf waren und mussten gegen unseren Willen tun, was er wollte.

3. Wir beide, also mein Boss und ich, spielten nicht mit demselben Drehbuch. Wir hatten gar keins. Die Arroganz der Erfahrung lässt einen irgendwann glauben, man könne in jeder Situation einfach improvisieren. Kann man aber meistens nicht. Hätten wir uns vor dem Meeting kurz darüber verständigt, was wir in dem Meeting erreichen wollen, und wie wir in bestimmten, vorhersehbaren Situationen reagieren wollen, wir hätten uns zumindest die Peinlichkeit und die für uns nutzlose Arbeit erspart.

Heute erscheinen mir meine damaligen Fehler total dumm. Aber damals wusste ich es nicht besser. Ich war ein durchaus erfolgreicher New Business Director mit wenig Erfahrung, aber dafür umso mehr Ehrgeiz. Ein Job, für den es kein Training gab. Man schaute sich einfach etwas ab und probierte viel aus. Und trotzdem sehe ich meinen alten Fehler auch heute in Agenturen und bei meinen «Patienten» immer und immer wieder. Auch, wenn Sie Ihre Chefs nicht in vergleichbar peinliche Situationen bringen wie seinerzeit ich, die wenigsten Agenturen haben ein klares «Drehbuch» dazu, wie man auf Anfragen potenzieller Kunden reagiert. Wann man an einem Pitch teilnimmt und wann nicht. Um welchen Kunden man sich bemüht und welche man höflich ablehnt. Und so gehen immer noch viel zu viele Agenturen schlecht vorbereitet in Neukundenmeetings und treffen ihre Entscheidungen mehr aus dem Bauch und der Situation heraus, als aus Ratio und einer smarten Strategie folgend.

Dabei ist so einfach, die grundlegenden Fragen zu formulieren, die man sich oder dem potenziellen Kunden stellen kann, bevor man nächste Schritte unternimmt, die weitere Ressourcen binden und nach Investments verlangen:

  • Was braucht die Agentur von einem potenziellen Kunden, bevor man irgendwelche Investitionen tätigt?
  • Welche Informationen benötigen wir, bevor wir einem Meeting zustimmen?
  • Unter welchen Bedingungen sind wir bereit einen Request for Proposal zu beantworten oder an einem Pitch teilzunehmen?

Diese Fragen zu beantworten ist eigentlich ganz einfach. Konsequent danach zu handeln ist schon eine andere Sache. Aber, nur Mut! Man trifft in der Regel bessere Entscheidungen und investiert seine Ressourcen weit cleverer mit einem New Business Drehbuch, als ohne. Was hält Sie ab?

Mehr zum Thema, welche potenziellen Kunden lohnen sich und welche nicht, in meinen Beiträgen «Warum Sie bloß nicht jeden Request-for-Proposal beantworten sollten.», «Wann Sie für potenzielle Neukunden die Hosen runter lassen sollen.», «Wie Sie Ihren nächsten Pitch umgehen und trotzdem gewinnen?», «Ist Pitchen eigentlich unmoralisch?» und «Finger weg von Spec Work!». Einen Vorschlag für eine New Business Checkliste, mit deren Hilfe Sie objektiv entscheiden können, welches New Business lohnt und welches nicht, finden Sie im Downloadbereich hier auf der New Business Doctor Seite.