Vor ein paar Wochen saß ich mit einem Agenturchef in seinem Konferenzraum, nachdem wir ein kleine Tour durch seine wirklich geschmackvoll und repräsentativ gestalte Agentur beendet hatten. "Was glaubst Du," fragte er, "ist der teuerste Raum hier?" Kurz bevor ich geneigt war den wirklich aufwendig und mit wertvoller Kunst geschmückten Empfang zu nominieren, kam er mir zuvor und sagte: "Dieser Konferenzraum hier." Und meinen verwunderten Gesichtsausdruck wahrnehmend: "Hier werden unglaubliche Mengen eigentlich produktiver Arbeitszeit vernichtet."
Meetings. Während man eigentlich wichtige und interessante Aufgaben zu erledigen hat, rauben einem die Kollegen mit lähmend langweiligen Erörterungen ihrer Probleme und ziellosen Diskussionen Zeit, Nerven und Konzentrationsfähigkeit. Während meiner Arbeit habe ich Agenturen kennengelernt in denen Mitarbeiter durchschnittlich 75% ihrer Arbeitszeit in Meetings verbringen. Die eigentliche Arbeit würde man dann halt abends oder am Wochenende leisten müssen, war die oft gehörte Antwort auf meine Frage nach der Machbarkeit.
Laut Handelsblatt online [hier] "... verbringen Top-Manager etwa zwei Drittel ihrer Arbeitszeit in Besprechungen, das mittlere Management rund 50 Prozent und die unteren Führungskräfte immerhin noch ein Viertel ihrer Zeit. Das hat eine Studie des Beratungsunternehmens Strategie-Forum in Hannover ergeben." Auf der Website des US-amerikanischen Anbieters einer Produktivitäts-Software namens LessMeetings [hier] wird sekundengenau die aktuelle und unglaubliche Anzahl aller in den USA seit Jahresanfang abgehaltenen Meetings angezeigt.
Dabei gehören Meetings zu den größten Produktivitätsvernichtern gerade in unserer Branche:
- Es gibt zu viele, eigentlich überflüssige Meetings.
- Die Meetings dauern meist viel länger, als sie müssten.
- Es werden mehr Teilnehmer eingeladen, als nötig.
- Es fehlt an produktiver Meeting-Kultur und entsprechenden, verbindlichen Regeln.
An teils verrückten Ideen, das zu ändern hat es bisher nie gefehlt. Schließlich sind wir ja eine kreative Branche. Da gab es unter anderem:
- Meeting-Räume mit Stehpulten, statt Tische und Stühle, um die Meeting-Dauer durch müde werdende Beine einzugrenzen.
- Meeting-Räume mit arktischer Raumtemperatur, um bibbernden Meeting-Teilnehmern unnötig lange Wortmeldungen zu vermiesen.
- Verspätete Teilnehmer, die durch Abschließen der Tür vom Meeting ausgeschlossen wurden.
- Zum Meeting Einladende, die eine Meeting-Gebühr zahlen mussten, die das Produkt der Anzahl der Teilnehmer, der Dauer des Meetings in Minuten sowie einem festgelegten Geldbetrag pro Einheit war.
- Meeting-Agenden, bei denen es zu jedem Besprechungspunkt nach spätestens 10 Minuten eine Entscheidung geben musste.
- Meetings, die, waren Sie für länger als 15 Minuten angesetzt, schriftlich beim CEO beantragt werden mussten.
- Und viele so gut gemeinte, wie radikale Verrücktheiten mehr.
Durchsetzen konnte sich – soweit mir bekannt – keine dieser Methoden wirklich und so bleiben Agentur-Meetings, genau die lähmenden und produktivitätsvernichtenden, meist gehassten Veranstaltungen, die sie schon immer waren.
Laut Zeit online [hier] hasst es Google-Mitgründer Larry Page, "... wenn seine Leute durch Meetings vom Arbeiten abgehalten werden. Deshalb war die Einführung fester Besprechungsregeln auch eine seiner ersten Amtshandlungen, als er im Frühjahr 2011 bei Google wieder die Unternehmensführung übernahm. Seitdem darf dort kein Meeting mehr als zehn Teilnehmer haben. Und wenn derjenige fehlt, der am Schluss die Entscheidung zu treffen hat, wird das Treffen abgeblasen. Außerdem soll jeder Teilnehmer etwas sagen – und sonst fernbleiben."
Für alle, die das nicht akzeptieren und ihre Meetings kurz und produktiv halten wollen, gibt es hier ...
Die 5 wichtigsten Regeln für Produktive Meetings
1. Kein Meeting ohne Ziele, Agenda und Timing
Jedes Meeting ist eine bewusste Investition wertvoller Agenturressourcen (und ich meine hier nicht Kaffee, Tee und Meeting-Kekse sondern Manpower). Daher sollte diese Investitionsentscheidung auch immer eine klare Zielsetzung haben. Bestehen Sie darauf, dass jedes Meeting klare Ziele hat und das diese allen Teilnehmern bereits mit der Einladung bekannt gemacht werden. Kein Meeting ohne Agenda. Kein Agendapunkt ohne Ziel und ohne Zeitzuteilung. Keine Meeting-Einladung ohne Anfangs- und (wichtig!) Endzeit. Und noch etwas: Bei Meetings, die für mehr als eine Stunde angesetzt sind (aber die wollen wir in Zukunft tunlichst vermeiden!) immer an ausreichende Pausen denken.
2. Kein Meeting ohne Besprechungsbericht und Schriftführer
Die getroffenen Entscheidungen, die To-dos, die Verantwortlichen sowie die vereinbarten Zeitziele eines jeden Meetings müssen schriftlich festgehalten werden; am besten in einem kurzen Ergebnisprotokoll. Wer das Protokoll schreibt, wird am Anfang jedes Meetings festgelegt, damit sich alle anderen auf die inhaltlichen Diskussionen konzentrieren können. Wer will und kann, schreibt das Protokoll gleich während des Meetings und verteilt es anschließend an alle Teilnehmer (sowie interessierte Stakeholder auf Nachfrage) innerhalb von längstens einem Werktag.
3. Kein Meeting mit (digitaler) Ablenkung
Damit Meetings produktiv und im vorgesehenen Zeitrahmen durchgeführt werden können, bedarf es der vollen Aufmerksamkeit aller Teilnehmer. Ablenkungen und Störungen sind zu vermeiden. Ich empfehle Handy auf Flugmodus zu schalten, das allseits beliebte Ich-check-nur-mal-schnell-meine-Nachrichten-unterm-Tisch-Spiel rigoros zu unterbinden und Laptops im Meetingraum zugeklappt zu lassen (Ausnahme der Protokollführer und eventuelle Präsentatoren). Wer im Meeting-Raum ist, bleibt auch dort. Teilnehmer aus Meetings holen ("Du, ich hab' deinen Kunden am Telefon.") wird untersagt. Dazu gibt es Pausen (siehe oben).
4. Kein Meeting mit verspäteten Teilnehmern
Null Toleranz für notorische Spätkommerinnen und -kommer. Tipps für den Umgang beziehungsweise die Umerziehung notorisch Verspätete [morgen hier] in einem ergänzenden Beitrag zum Thema Meeting-Kultur und Pünktlichkeit.
5. Kein Meeting ohne klare, verbindliche Beschlüsse, To-dos, Timings und Verantwortliche
Jeder Agendapunkt, jedes Meeting endet mit unmissverständlichen verbindlichen Beschlüssen, Bestimmung von Verantwortlichen, klaren To-dos und verbindlichen Erledigungsterminen, die im Protokoll festgehalten werden (siehe oben). Sollte einmal kein Beschluss gefasst werden können, ohne die Agenda zu überziehen, wird der Punkt vertagt, auf ein weiteres Meeting.
Natürlich gibt es noch weitere sinnvolle Punkte und Regeln, die die Meeting-Kultur Ihrer Agentur positiv prägen könnten (Stichworte: Ausreden lassen, konstruktive Kritik, Kurzfassen, Seitengespräche, unproduktives Jammern etc.). Wichtig ist nur, dass es klare Regeln gibt und diese auch konsequent eingehalten werden. Nicht wenige Agenturen haben Ihre wichtigsten Meeting-Regeln gut sichtbar als Erinnerung in den Konferenzräumen platziert.
Was sind Ihre Erfahrungen mit Meeting-Regeln? Haben Sie gute Erfahrungen gemacht, mit bestimmten Tricks? Wie haben Sie es geschafft, Meetings produktiver zu gestalten? Meine Leser und ich freuen uns über Ihr Feedback.
Falls die Meeting-Kultur Ihrer Agentur einer Therapie bedarf und Sie es leid sind, wertvolle Ressourcen durch schlechten Meeting-Stil zu vernichten, der New Business Doctor hätte da einen Therapievorschlag für Sie.
Interessante Beiträge und hilfreiche Tipps und Checklisten zum Thema Meeting-Kultur (in Englisch) auf dem Blog von LessMeetings [hier]