Als ich noch ein ganz kleines Licht in einer ganz großen Networkagentur in Frankfurt war, stieg der CEO zu mir in den ansonsten menschenleeren Aufzug. "Und, wie läuft's bei Ihnen, Andreas?" (Ja, er hatte sich meinen Namen gemerkt!), war die gefürchtete Frage, die er in solchen Situationen seinen Mitfahrern zwischen Erdgeschoss und 13. Stockwerk zu stellen pflegte. Und, was glauben Sie, haben wir alle unisono geantwortet? "Alles im grünen Bereich." oder "Läuft, wie am Schnürchen.". Obwohl dass, zumindest in meinem Fall, alles andere als zutraf. Bei mir war nämlich ein Projekt mindestens im orangen, wenn nicht schon im roten Bereich. Aber das erzählt man doch nicht seinem CEO im Fahrstuhl, oder? Schließlich erwartet der ja von allen, dass sie alles im Griff haben. Diese zutiefst menschliche Eigenschaft führt dazu, dass Sie lieber Leser, zumindest wenn Sie dem mittleren oder oberen Management angehören, stets den Eindruck haben können, in Ihrem Projekt-Team, Ihrer Abteilung oder Ihrer Agentur liefe alles, wie am Schnürchen; obwohl der eine oder andere Kunde vielleicht schon das Kündigungsschreiben aufsetzen lässt.
Nehmen Sie es Ihren Mitarbeitern jetzt aber bloß nicht übel, denn die wollen ja einfach nur das in sie gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen und Ihnen die schlaflosen Nächte ersparen, die sie selbst längst haben. Um wirklich zu verstehen, wie es um die Jobs in Ihrem Team, Ihrer Abteilung oder Ihrer Agentur steht, sollten Sie künftig besonders auf diese 8 Floskeln achten, beziehungsweise verstehen, was sie vermutlich wirklich aussagen:
8 Phrasen, die Ihnen signalisieren, "Houston, wir haben ein Problem!" (Teil 1 von 2)
1. "Ich kann mich gar nicht daran erinnern, diese E-Mail gesehen zu haben."
Nach einer Untersuchung der The Radicati Group, veröffentlicht bei www.statista.de [hier] bekommen und versenden wir durschnittlich über 200 geschäftliche E-Mails pro Tag. Unsere E-Mail-Inbox mit ihrem störenden "Ping" diktiert längst unseren Arbeitsalltag. Viele reagieren längst nur noch auf E-Mail-Anfragen und Arbeitsanweisungen, statt ihre produktiven Zeiten selbstbestimmt zu planen. Das heißt, durchaus wichtige Kundenanfragen oder -aufträge konkurrieren längst mit Hunderten teils automatisierter und oft völlig unwichtiger E-Mails um unsere Aufmerksamkeit. Wenn aber bei Ihren Mitarbeitern wichtige oder dringliche Kundenanliegen in der E-Mail-Flut untergehen, setzen sie die Beziehung zu diesen sträflich missachteten Kunden ernsthaft aufs Spiel. Ganz zu schweigen, von dem zusätzlichen Stress unnötig verkürzter Deadlines und dem zu erwartenden schlechten Rating im alljährlichen Feedback-Gespräch.
Meine Praxis-Tipps: (1.) Verordnen Sie Ihren Mitarbeitern eine E-Mail-Diät. Reduzieren Sie E-Mail-Bearbeitungszeiten auf drei Male pro Tag. Trainieren Sie mit Ihren Mitarbeitern einen sinnvollen und produktiven Umgang mit E-Mails. Meine Kontakterschule hilft [hier] gerne. (2.) Erwägen Sie die Anschaffung eines modernen CRM-Systems, dass es erlaubt den gesamten Schriftverkehr, alle Telefonate und Dokumente bestimmten Projekten und Personen zuzuordnen. Ich selbst nutze hierfür seit Jahren Highrise beziehungsweise Basecamp von 37Signals. Beide sind um ein Vielfaches schneller, einfacher und intuitiver zu nutzen, als die meisten mir bekannten Projektmanagement-Programme und -Apps für Agenturen.
2. "Ich brauch' jetzt keine Pause."
Mitarbeiter sind kreativer und produktiver, wenn sie ausreichend Pausen machen. Sechs bis acht Stunden pausenlos vor dem Computer zu hocken tut niemanden gut, auch nicht Ihren Projekten, Ihrer Produktivität und schon gar nicht Ihren Kunden. Motivieren Sie Ihre Mitarbeiter zu einem sequenziellen Arbeitsrhythmus, wobei sich überschaubare, zeitlich begrenzte hochproduktive Phasen mit kurzen Entspannungspausen rhythmisch abwechseln sollten.
Mein Praxis-Tipp: Die Pomodoro-Technik, die ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern im Rahmen meiner Kontakterschule sehr gerne näherbringen oder andere sequenzielle Arbeitsmodelle, wie die des Ultradian Rhythms, bei der sich 90-minütige Power-Phasen mit adäquaten Entspannungspausen ablösen.
Es ist ein Ammenmärchen, dass sich Menschen länger als etwa 90 Minuten auf ein Projekt konzentrieren können. Untersuchungen belegen, nach spätestens eineinhalb Stunden konzentrierter Arbeit werden Stresshormone freigesetzt, der Adrenalinpegel steigt und die Produktivität nimmt dramatisch ab. Erhöhen Sie den Fokus und die Produktivität Ihrer Mitarbeiter, indem Sie moderne Produktivitätstechniken einlernen.
3. "Jo, wir schaffen das. Und das. Und das auch noch."
Keine Führungskraft hört es gerne, wenn Mitarbeiter ständig Arbeit zurückweisen. Aber die Bob-der-Baumeister-Kollegen, die sich immer alles aufhalsen lassen und niemals Nein sagen, sind die viel schädlichere Gefahr. Bei den ehrgeizigen Jasagern wissen Sie als Führungskraft nämlich nie, wann deren Kapazitätsgrenze wirklich erschöpft ist und erfahren viel zu spät, wenn wichtige Termine nicht gehalten werden können. Ganz zu schweigen, von Qualitätsdefiziten, die sich durch Überlastung zwangsläufig ergeben.
Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, [hier] im Spiegel zitiert, legt ein Viertel der repräsentativ befragten Vollzeitbeschäftigten ein zu hohes Arbeitstempo vor. 18 Prozent stoßen oft an ihre Leistungsgrenzen, 23 Prozent machen keine Pausen. Jeder Achte kommt sogar krank zur Arbeit. 42 Prozent beklagten, dass das Arbeitsumfeld durch steigende Leistungsziele geprägt werde. Jeder Dritte weiß nicht mehr, wie er den Ansprüchen gerecht werden soll.
Mein Praxis-Tipp: Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter für die eigenen Leistungsgrenzen. Sie sollten ein realistisches Gefühl für die eigene Leistungsfähigkeit entwickeln und das explizite Recht eingeräumt bekommen, klare Grenzen zu setzen. Für Phasen, in denen mehr Arbeit zu erledigen ist, als Kapazitäten bereitstehen gibt es ja Freelancer. Mehr zum Thema, wie Sie die richtigen Freelancer finden und sie optimal einsetzen in einem zweiteiligen Beitrag hier im NB-Doc's Blog [hier] und [hier].
4. "Version 14 ist die aktuelle."
Es gibt anspruchsvolle Kunden und solche, die sich scheinbar nie entscheiden können. Aber spätestens, wenn die Korrekturschleifen zweistellige Versionsnummern produzieren, ist es an der Zeit zu handeln. Denn spätestens jetzt ist selbst die großzügigste Marge auf null geschrumpft. Wenn ein erheblicher Teil der Projekte in Ihrer Agentur jenseits der üblichen zwei, drei Korrekturrunden liegt, wird es Zeit Detektiv zu spielen. Ist die Arbeit, die zum Kunden geht wirklich schlecht? Hat der CD die Arbeit vorher überhaupt gesehen? Oder gibt es vielleicht schon viele Korrekturrunden mit Untergeordneten bevor der eigentliche Entscheider beim Kunden die Arbeit zum ersten Mal sieht? Gab es überhaupt ein unmissverständlich, klar formuliertes Briefing? Und hat sich das Briefing vielleicht schon während noch gearbeitet wurde, geändert?
Meine Praxis-Tipps: (1.) Etablieren Sie ein System, das es Ihnen und Ihren Mitarbeitern ermöglicht, die Ziele und Anforderungen Ihrer Kunden präzise zu verstehen. (2.) Instituieren Sie einen bindenden internen Kontrollprozess, bei dem Briefing und Lösung kritisch gegeneinander abgeglichen werden, bevor Arbeit zum Kunden geht und (3.) optimieren Sie ggfs. den Entscheidungsprozess bei Ihrem Auftraggeber.
Die nächsten 5 der insgesamt 10 Killer-Phrasen, die Ihre Alarmglocken läuten sollten, lesen Sie morgen hier in einem weiteren Post. Falls Sie Hilfe möchten, um ein paar meiner Praxis-Tipps schnell in die Tat umzusetzen, wenden Sie sich vertrauensvoll an den New Business Doctor. Der weiß, was los ist.