Die 9 wichtigsten Kennzahlen für die finanzielle Gesundheit Ihre Agentur.
Dieser Beitrag richtet sich an die eher kleinen bis mittelgroßen Agenturen, die sich in der Regel keinen CFO leisten, aber trotzdem jederzeit genau wissen wollen, wie es um die finanzielle Situation Ihrer Agentur bestellt ist.
Der New Business Doctor ist kein Finanzberater. Die hier aufgelisteten Tipps sollen Agenturinhabern helfen, sich ein sinnvolles Instrumentarium zur Messung des finanziellen Gesundheitszustandes ihrer Agentur zusammenzustellen. Selbstverständlich sollten Sie sich bei Fragen an einen Fachmann wenden, z.B. Ihren Steuerberater.
1. Bruttoertrag
Als Agentur ist die in anderen Branchen übliche Betrachtung des Bruttoumsatzes wenig aufschlussreich, um herauszufinden, wie es um die finanzielle Gesundheit Ihrer Agentur bestellt ist. Viele Agenturen lassen relativ große Posten an Fremdleistungen durch Ihre Bücher laufen (Mediaschaltkosten, Produktionskosten, Modelhonorare etc.), an deren Handling sie aber nicht oder nur gering finanziell partizipieren. Aussagekräftiger ist hier schon der Bruttoertrag, also das Geld, dass dann wirklich in Ihrer Agentur verbleibt, um Ihre Kosten zu decken (Personalkosten, Miete, Sachkosten, etc.). Die Formel für den Bruttoertrag ist also vereinfacht gesagt: Umsatz (-) Fremdkosten = Bruttoertrag.
2. Overheads
In die Gemein- oder Betriebskosten, in Agenturen häufig als Overheads bezeichnet, fließen alle Kostenpositionen ein, die in regelmäßigen Intervallen auftreten und für den Betrieb Ihrer Agentur unerlässlich sind. Das sind z. B. Ihre Miete, die Versicherungen, die Energiekosten, die Abschreibungen auf Ihre Büroeinrichtung und -technik, die Leasingraten für Geschäftsautos etc. Personalkosten zählen nicht zu den Betriebskosten.
Ich würde sagen, Ihre Agentur ist gesund, wenn die Overheads nicht mehr als 25% Ihres Bruttoertrages ausmachen.
3. Personalkosten
In einer personalintensiven Branche, wie der Agentur- stellen die Personalkosten einen gewichtigen Teil der Ausgaben. Zu den Personalkosten zählen neben den Gehaltskosten auch alle weiteren Arbeitgeberleistungen, wie z. B. Versicherungszuschüsse, Beiträge der Künstlersozialkasse,. Bonuszahlungen und Rentenversicherungsbeiträge werden in der Regel nicht zu den Personalkosten gezählt. Die Arbeitsplatzkosten haben wir ja schon in den Overheads untergebracht.
Experten meinen, auch in der Agentur sollten die Personalkosten die Marke von 50% des Bruttoertrages nicht überschreiten, um finanzielle gesund und profitabel arbeiten zu können.
4. Liquiditätsreserve
CFOs von renommierten Agenturen sind sich darin einig, dass einen finanziell gesunde Agentur mindestens zwei Monate Liquiditätsreserve anlegen, also in der Lage sein sollte, für mindestens 2 Monate seine Overheads aus eigenen Mitteln (Bankguthaben) finanzieren zu können. Diese Liquiditätsreserve errechnet sich wie folgt: Liquides Guthaben auf dem Geschäftskonto (/) monatliche Overhead-Kosten = Dauer der Liquiditätsreserve.
5. Forderungsumschlag
Zahlungsziele und Zahlungsmoral der Werbetreibenden ist ein schmerzvolles Thema für viele Agenturen. Besonders die großen Konzerne schieben ihre Zahlungsziele immer weiter hinaus. Soviel ich höre, müssen Agenturen, die für Mars und Mondelez arbeiten inzwischen vertraglich geregelt 120 Tage auf die Bezahlung ihrer Rechnungen warten. Aus Agenturkreisen hört man allenthalben, dass Zahlungsziele über die letzten Jahre immer weiter hinausgeschoben werden und immer mehr Agenturen gezwungen sind, ihre Liquiditätsreserven durch Kredite aufzustocken. Für Sie als Agenturinhaber oder -geschäfstführer ist es essenziell die individuelle und durchschnittliche Zahlungsmoral Ihrer Kunden zu messen, auch um z.B: eigene Zahlungsziele mit Lieferanten neu zu verhandeln.
Der Messwert für die Zahlungsmoral Ihrer Kunden heißt in Finanzdeutsch Forderungsumschlag und berechnet sich wie folgt:
(Offene Forderungen (x) 360) (/) Umsatz
Unsere amerikanischen Kollegen haben zur Messung der Zahlungsmoral den etwas sachlicheren Begriff "Collection Time" geprägt.
6. Verschuldungsgrad
Der Verschuldungsgrad zeigt an, wie hoch das finanzielle Risiko ist, das Ihre Agentur momentan eingeht.
Gemessen wird der Verschuldungsgrad nach folgender Formel: [Fremdkapital (x) 100] (/) Eigenkapital.
Ihr Verschuldungsgrad sollte möglichst unter 100 Prozent liegen.
7. Mitarbeiterauslastung
Dieser Messwert hilft Ihnen dabei zu messen, wie effektiv Ihre Agentur beziehungsweise einzelne Mitarbeiter arbeiten. Um diesen Wert zu errechnen teilen Sie Ihr Bruttoeinkommen durch die Anzahl der Vollzeitarbeitskräfte. Dabei sollten Sie auch Mitarbeiter einrechnen, deren Arbeitszeit nicht weiter berechenbar ist, wie z. B. Assistenten, Verwaltungsmitarbeiter, und das Management. Wie mir CFOs von führenden Agenturen verraten haben, sollte dieser Wert heutzutage bei über 90.000,- € / Mitarbeiter liegen. Bei den direkt bestimmten Kunden und Projekten zugeordneten Mitarbeitern sollte der Anteil der abrechenbaren Stunden nicht unter 80 Prozent sinken.
8. Effektiver Stundensatz
Wenn Sie den Wert zur Auslastung Ihrer Mitarbeiter ermittelt haben, können Sie auch den effektiven Stundensatz ermitteln. Das ist der Stundensatz für den Sie beziehungsweise Ihre Agentur die Stunde eines Mitarbeiters momentan an Ihre Kunden verkaufen. Um den effektiven Stundensatz eines Mitarbeiters zu ermitteln, gehen Sie nach folgender Formel vor:
(Jahresgehalt + (Jahresgehalt x Overheads in Prozent)) / 2.000 Arbeitsstunden pro Jahr = Stundenkosten des Mitarbeiters
Gesetzt den Fall, der Mitarbeiter hat eine Auslastung von 80 Prozent müssen Sie diesen Wert noch um 20 Prozent erhöhen.
Rechenbeispiel: Manfred Müller hat ein Jahresgehalt von 100.000,- €. Die Overheads der Agentur liegen bei 20 %. Die Auslastung von Manfred liegt bei 80 %. d. h. er hat 20% nicht weiter berechenbare Arbeitszeit.
(100.000 + 20.000) / 2.000 = 60
60 + 60 x 20 / 100 = 72
Manfred Müller Arbeitsstunde müsste also zu mindestens 72,- € weiter berechnet werden, um kostendeckend arbeiten zu können. Aber da sind die Kosten für nicht weiter berechenbare Mitarbeiter noch gar nicht finanziert und die Agentur macht keinen Profit!
Also addieren wir noch die anteiligen Kosten für nicht weiter berechenbare Mitarbeiter, sagen wir 10.000,- €, dazu und schlagen eine Profitmarge von 50% auf. Dann sähe die Berechnung wie folgt aus:
(10.000 + 20.000 + 10.000) / 2.000 = 65
65 +65 x 20 / 100 = 78
78 +78 x 50 / 100 = 117
Sie müssten also den Stundensatz von Manfred Müller mit 117,- € ansetzen, um profitabel arbeiten zu können.
9. Etatkonzentration
Der Wert für die Etatkonzentration gibt an, wie abhängig Ihre Agentur von großen Kunden ist. Vielen kleine und mittlere Agenturen arbeiten für einzelne Kunden deren Umsatzanteil mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes der Agentur ausmacht. Das stellt ein Risiko dar, da eine Kündigung dieses Großkunden, die Agentur vor ernsthafte finanzielle Probleme stellen kann. Kein einzelner Kunde Ihrer Agentur sollte für mehr als 50 Prozent Ihres Umsatzes verantwortlich sein. Bestenfalls machen Sie mit Ihren größten Kunden nicht mehr als 30 Prozent Ihres Agenturumsatzes. Wächst der Umsatz eines Großkunden über diese Schwelle (was ja grundsätzlich wünschenswert ist), sollten Sie durch entsprechende New-Business-Bemühungen schnell für Ausgleich sorgen.