Die Idee für diesen Post kam mir beim Lesen eines Artikels in «Marketing Communication News», der digitalen News-Plattform für die UK-Agenturszene. In dem Artikel wird Bezug genommen auf eine Studie des ISBA, dem englischen Fachverband der Werbungtreibenden und Werbeagenturen, die eine signifikante Zunahme von Inhouse-Agenturlösungen im UK-Werbemarkt prognostiziert. Demnach tragen sich fast die Hälfte der britischen Werbungtreibenden mit dem Gedanken, eine In-House oder On-Site-Lösung für die Entwicklung und Umsetzung ihrer Kommunikationsaktivitäten anzustreben, beziehungsweise haben schon längst eine. Und die veröffentlichten Zahlen aus dem US-Werbemarkt zeigen ein ähnliches Bild. Hätten Sie das gedacht?!
In diesem Beitrag möchte ich die Vor- und Nachteile von Inhouse-Agenturen gegenüberstellen, um Werbungtreibenden, die sich mit diesem Gedanken tragen, eine Entscheidungshilfe zu geben.
In einem weiteren Beitrag «Trend zu Inhouse-Agenturen – Fluch oder Segen für Kreativschaffende.» möchte ich morgen beleuchten, welche Konsequenzen, dieser unabwendbare Trend für Agenturen haben könnte und welche Lösungen es für unabhängige Agenturen gibt.
Nun sind sogenannte On-Site-Lösungen für die Umsetzung von Werbe- und Verkaufsförderungsmitteln bei Werbungtreibenden ja kein grundsätzlich neues Konzept. Viele Unternehmen wollen mit solchen internen Kreativserviceabteilungen Kosten für externe Dienstleister sparen und die Umsetzungsgeschwindigkeit erhöhen.
Inhouse-Agenturen unterscheiden sich nur wenig oder gar nicht von «normalen», unabhängigen Agenturen alter Prägung, werden aber qua definitionem von einem Werbungtreibenden Unternehmen selbst betrieben, für das sie in der Regel auch exklusiv arbeiten. Die Abgrenzung zu internen Grafikabteilungen (die es ja schon viel länger und in vielen Unternehmen gibt) ist fließend und verstärkt sich mit steigender Komplexität der übernommenen Aufgaben.
Eine etwas komplexere und neuere Variante sind die sogenannten Customized Agencies. Das sind Agenturen, die speziell auf die Bedürfnisse eines Kunden maßgeschneidert werden, aber in der Regel wirtschaftlich unabhängige Unternehmen bleiben. Häufig unter der Ägide eines Agenturnetworks oder einer etablierten inhabergeführten Agentur geführt oder als Joint Venture zwischen Werbungtreibenden und einer Agentur gegründet. Bekannte Beispiele hierfür sind die Agenturen Redblue Marketing (2000 als Customized Angency für die Unterhaltungselektronikhändler MediaMarktSaturn Retail Group gegründet) oder deren neuer Dienstleister «Zum roten Hirschen» (aktuelle Customized Agency der Agenturgruppe «Zum goldenen Hirschen» für Media-Markt). Oder ganz aktuell die Düsseldorfer Customized Agency «Bobby & Carl» (ein Joint Venture zwischen der Agentur Thjnk und Thyssenkrupp), wie die W&V [hier] berichtet.
Ein (zumindest für mich) neues und spannendes, alternatives Angebot hierzu macht die europaweit agierende, sogenannte «Inside»-Agentur» Oliver, die einen Schritt weiter auf ihre Kunden zugeht, ihre Kommunikations-, Strategie- und Kreativspezialisten direkt bei ihren Kunden «implantiert» und damit ihren Kunden das Beste aus zwei Welten (Inhouse-Agentur und externer Kreativdienstleister) bieten will.
Aber es gibt auch Werbungtreibende, für die das Modell der Inhouse-Agentur die Bewährungsprobe offensichtlich nicht bestanden hat. Erst im Februar hatte das Werberfachblatt W&V berichtet, dass Red Bull seine Inhouse-Agentur «Red Bull Creative» schließen und künftig alle Kreativprojekte wieder an externe Dienstleister vergeben wolle.
Wenn Sie als Werbungtreibender sich nun fragen, ob das Thema Inhouse- oder sogar Customized-Agentur auch eine Lösung für Ihr Unternehmen wäre oder vielleicht bereits eine On-site-Lösung installiert haben, aber nicht sicher sind, ob das ein Model für Ihre Zukunft ist (siehe Red Bull), dann helfen Ihnen vielleicht die folgenden Argumente für beziehungsweise gegen eine Inhouse- oder Customized-Lösung bei der Entscheidungsfindung:
Chancen, die sich aus Inhouse- oder Customized-Agency-Lösungen für Werbungtreibende ergeben:
(+) Schneller Know-how-Transfer
Je dichter das Agentur-Team am Unternehmen (Unternehmens-Know-how), seinen Produkten oder Dienstleistungen (Produkt-Know-how), seinem spezifischen Markt (Markt-Know-how) und Zielgruppen (Zielgruppen-Know-how) ist, desto schneller lässt sich spezifisches Fachwissen aufbauen, das wiederum die Chance auf effektive Lösungen deutlich erhöhen kann. Gerade für Unternehmen, die auf Content-Marketing setzen, sind kreative Content-Produzenten, die möglichst nah am beworbenen Produkt beziehungsweise der Dienstleistung sitzen und kompetent und umfassend Bescheid wissen, ein unschätzbarer Vorteil.
(+) Höhere Agilität
In Zeiten digitaler Kommunikationshoheit und hoher Innovationsgeschwindigkeit sind Schnelligkeit, Effizienz und Beweglichkeit (neudeutsch: Agilität) gerade im Bereich der Marketingkommunikation oft entscheidend für den Markterfolg. Je näher die Strategie- und Kreativdienstleister am Unternehmen sitzen und je weniger kapazitäre Abhängigkeiten zu anderen Auftraggebern die Umsetzungsgeschwindigkeit drosseln, desto schneller kann das Agentur-Team reagieren (zum Beispiel auf aktuelle Ereignisse) und aktuelle Lösungen liefern.
(+) Effizientere Zusammenarbeit
Operative Kontrolle, Nähe und dieselbe Arbeitskultur können die herkömmlichen Reibungsverluste in der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern dramatisch senken und Arbeitsprozesse deutlich optimieren helfen. In der Regel sind auch die Abstimmungs- und Entscheidungswege bei On-site-Lösungen kürzer und effektiver.
(+) Kostenersparnis
Es ist kein Geheimnis, dass Agenturen die Arbeit und Ideen ihrer Talente mit entsprechenden Aufschlägen an ihre Kunden verkaufen müssen, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Extern eingekaufte Kreativdienstleistungen scheinen also erst einmal teurer zu sein, als wenn diese Arbeit durch eigene Mitarbeiter erledigt werden kann. Wer als Werbungtreibender ganze Agenturen exklusiv für sich arbeiten lässt, hat natürlich eine deutlich bessere Verhandlungsposition, was die Konditionen betrifft. Besonders eher anspruchslose Aufgaben mit hohen Arbeitsvolumina (zum Beispiel umfangreiche Vertriebsliteratur, Kataloge etc.) lassen sich in der Tat inhouse häufiger effizienter lösen. Allerdings sind steigende Fixkosten und sinkende Skalierbarkeit oft die kehrseite der On-site-Medaille.
(+) Höheres Commitment
Der Erfolg von Inhouse- beziehungsweise Customized-Agenturen ist in der Regel direkt an den wirtschaftlichen Erfolg des werbungtreibenden Unternehmens gekoppelt. Es ist also davon auszugehen, dass die Mitarbeiter solcher Inhouse- beziehungsweise Customized-Agenturen eine höhere Motivation besitzen und mehr Engagement zeigen, Erfolg versprechende Lösungen bereit zu stellen, als dies vielleicht bei ihren Kolleginnen und Kollegen in unabhängigen Agenturen der Fall ist, wo Mitarbeiter ja meist für mehrere beziehungsweise viele Unternehmen arbeiten und denen verständlicherweise der Erfolg der eigenen Agentur vor dem Erfolg ihrer Kunden kommt.
(+) Bessere Kontrolle
Wer seine eigene Agentur aufbaut, bekommt automatisch volle Kontrolle über die Qualität und die Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter, kann deren Agenda bestimmen beziehungsweise die nötigen Prioritäten setzen und direkten Einfluss auf die genutzten Tools und präferierten Arbeitsprozesse nehmen.
Risiken, die sich aus Inhouse- oder Custimized-Agency-Lösungen für Werbungtreibende ergeben:
(-) Mangelnde Skalierbarkeit
In der Regel wird man permanente Überkapazitäten bei Inhouse- oder Customized-Agenturlösungen vermeiden wollen. Sollte sich das Arbeitsvolumen temporär unerwartet und ungeplant ausweiten, sind die klassischen Recruitmentprozesse viel zu langsam, um die nötigen Kapazitäten schnell zur Verfügung stellen zu können. Umgekehrt machen arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen einen kurzfristigen Personalabbau aufgrund abnehmender Aufgaben unmöglich. Inhouse- beziehungsweise Customized-Lösungen sind im Gegensatz zur externen Agenturpartnerschaften also weniger skalierbar. Eine externe, unabhängige Agentur zu beauftragen bleibt der schnellste Weg, in der Regel gut trainierte Kommunikationsprofis für die verschiedenste Kanäle und Aufgaben einsetzen zu können. Allerdings dürfte sich die Bereitschaft unabhängiger Agenturen als «Ausputzer» für temporäre Kapazitätsspitzen herzuhalten, in Grenzen halten.
(-) Mitarbeiterqualität
Werbe- und Kommunikationsprofis arbeiten gerne in inspirierenden, kreativen Umfeldern an attraktiven Standorten, die produzierende Gewerbe- oder Diensleistungsunternehmen in der Regel selten bieten können. Aus der Sicht erfolgreicher Agenturmitarbeiter ist die Arbeit in einer Werbeabteilung oder Inhouse-Agentur oft eher zweite Wahl. Deswegen fällt es Unternehmen in der Regel schwerer Top-Personal für ihre Inhouse-Lösungen auf dem Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Die Möglichkeiten, mit Zielgruppen zu kommunizieren werden immer vielfältiger, beinahe täglich entwickeln sich neue Kanäle und werblich nutzbare Touchpoints. Selbst für große, unabhängige Agenturen ist es eine Herausforderung, die nötigen Spezialisten hierfür zu rekrutieren und dann auch auszulasten. Eine noch weit größere Herausforderung für On-site-Agenturen.
(-) Burn-out
Einer der Attraktivposten von Agenturen ist, dass Mitarbeiter dort in der Regel parallel für verschiedenen Auftraggeber arbeiten können, sich mit immer neuen Herausforderungen, in unterschiedlichsten Märkten und verschiedensten Zielgruppen beschäftigen dürfen. Bei Inhouse oder Customized-Lösungen besteht die latente Gefahr, dass Mitarbeiter schneller ausbrennen, mangels abwechslungsreicher Herausforderungen schnell ihre Kreativität und die Lust verlieren, nur noch auf Standardlösungen setzen und mit der Zeit betriebsblind werden.
(-) Vorauseilender Gehorsam
Brillante Lösungen entstehen in der Regel durch Reibung. Die intellektuelle und konstruktive Auseinandersetzung zwischen Auftraggeber und Agentur ist ein wichtiges Erfolgskriterium für innovative Lösungen. Mitarbeiter unabhängiger Agenturen können sich ein gewisses Maß an Neutralität und Rückgrat bewahren, weil ihre Karrieren in der Regel nicht von einem Auftraggeber allein abhängig sind. Auf Arbeitsplatzsicherheit bedachte On-site-Kreative werden wohl eher dazu neigen, Lösungen mit Konfliktpotenzial gar nicht erst ernsthaft weiter zu verfolgen, um ihre Stelle nicht auf's Spiel zu setzen.
Die Entscheidung, eine eigene Inhouse-Agentur aufzubauen und nach und nach strategische, wie kreative Dienstleistungen in die eigene Agentur zu verlagern ist keine einfache. Zumal den unzweifelhaften Chancen auch ernstzunehmende Risiken gegenüberstehen. Nichtsdestotrotz scheinen führende Werbungtreibende in Großbritanien und den USA mehr und mehr in eigene beziehungsweise exklusive Lösungen zu investieren. Verlässliche Zahlen für den deutschen Markt habe ich bisher nicht gefunden, gehe aber davon aus, dass auch hier die Interessenslage ähnlich ist.
Wenn Sie sich als Werbungtreibender dafür interessieren, eine Inhouse-Agentur auf- beziehungsweise ihre interne Grafikabteilung auszubauen, hilft Ihnen der New Busines Doctor sehr gerne dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
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