Wie oft habe ich – damals noch selbst in der Agentur und verantwortlich für das Neugeschäft diesen fatalen Fehler gemacht. Wertvolle Zeit mit dem prospektiven Neukunden damit verplempert den wenig beeindruckten Zuhörern ein Powerpoint-Chart nach dem anderen an die Wand zu beamen. Ziel war es, den Prospect möglichst viele und beeindruckende Argumente dafür zu liefern, dass es für ihn auf der ganzen Welt keine bessere Agentur gäbe, als unsere. Ein buntes Feuerwerk an Rankings, Network-Charts auf Weltkarten, beeindruckend klingende Tools, Awards, Filme und Case-Stories, die leider meist wenig Relevanz für den spezifischen Markt unserer Besucher hatten und selten, mangels harter Zahlen, den Mehrwert der Agenturleistung dokumentierten.
"Reden ist silber – Fragen ist gold." lautet mein neues Credo, wenn es um Credential- oder Chemistry-Meetings geht.
Reduzieren Sie Ihren Präsentationsanteil auf das absolut nötigste Minimum. Schließlich hat sich der Kunde ja schon im Vorfeld eingehend mit Ihrer Agentur beschäftigt und ist ja glücklicherweise bereits zu der Überzeugung gelangt, dass Sie durchaus ein interesanter künftiger Agenturpartner für ihn sein könnten. Führen Sie stattdessen das Meeting durch kluge Fragen. Die Fragen nach den Meetingzielen und der Agenda des prospektiven Kunden hatten Sie ja schon im Vorfeld gestellt, wenn Sie schlau oder die Tipps in meinen Post "Pitch-Fehler #1: Hemdsärmelige Improvisation, statt detailierter Vorbereitung." gelesen haben.
Nur durch geschickte Fragen erfahren Sie viel über die Motive, Ziele, Wünsche und Herausforderungen des Werbetreibenden und erhalten dadurch einen wichtigen Wettbewerbsvorteil gegenüber Ihren Rivalen im Pitch. Versuchen Sie den Redeanteil der Entscheider auf der anderen Seite des Konferenztisches auf mindestens 2/3 der zur Verfügung stehenden Zeit zu bekommen. Der Kunde wird dankbar dafür sein, über seine Herausforderungen sprechen und sein profundes Fachwissen weitergeben zu können. Und er wird sich verstanden fühlen. Glauben Sie einem erfahrenen Pitch-Berater, das funktioniert fast immer.
Aber welche klugen Fragen gilt es zu stellen, werden Sie jetzt fragen. Hierzu hatte ich das Glück in der vergangenen Woche einem interessanten Vortrag von Ralf Grauel zuhören zu dürfen. Ralf Grauel ist Wirtschaftsjournalist, Publizist und Berater. Er ist Erfinder und Herausgeber des Sachbuch-Bestsellers »Deutschland verstehen« und hat für »brand eins«, »brand eins Wissen« und das »Zeit Magazin« gearbeitet. Er ist mit mir der Meinung, dass man die spezifischen Herausforderungen eines Kommunikationsauftrags erst wirklich verstehen kann, wenn man Antworten auf folgende wichtigen Fragen erhalten hat:
- Was machen Sie eigentlich?
- Für wen machen Sie das?
- Warum machen Sie das?
- Wie gehen Sie dabei vor?
- Sind Sie einzigartig?
- Warum ist das so?
- Wie lange geht das noch gut?
- Was waren Ihre größten Hindernisse?
- Wie haben Sie die überwunden?
- Was ist Ihre aktuell größte Sorge?
- Was unternehmen Sie dagegen?
Ralf Grauel sagt, für den Journalisten steht jetzt schon die Story, aber es gibt noch keine Kommunikationsidee. Agenturleute müssen weiter fragen:
- Was soll anders werden?
- Soll die Veränderung im Unternehmen stattfinden?
- Oder ausserhalb?
- Soll die Veränderung in den Köpfen stattfinden?
- In wessen Köpfen?
- Wollen Sie auch Verhalten ändern?
- Wessen Verhalten?
- Was möchten Sie gerne erzählen?
- Was möchten Sie eigentlich sagen?
- Wem möchten Sie das erzählen?
- Interessiert das denn auch alle Adressaten?
- Was ist denn für die sonst relevant?
- Wie bringen wir das alles in Deckung zueinander?
- Also: was ist denn eigendlich das Problem?
Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen jetzt geht, aber ich finde das sind ein paar sehr intelligente Fragen, mit denen Sie mühelos ein erstes Meeting bestreiten und bestimmt keine Langeweile aufkommt.
Und das beste: Diese Fragen helfen Ihnen zu verstehen, worum es wirklich geht, des Pudels Kern freizulegen. Sie helfen, eine erste Beziehung zu Ihrem künftigen Neukunden aufzubauen und Verständnis zu erzeugen.
Also, beim nächsten Kennenlern-Meeting, bitte, bitte die vielen schönen Powerpoint-Charts zu Hause lassen und sich stattdessen mit cleveren Fragen bewaffnen. Probieren Sie es aus! ich schwöre, es klappt.
Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe von Post unter dem Dachthema "Die 10 fatalsten Pitch-Fehler", die Sie vielleicht auch interessant und hilfreich finden.