Was ein «Gorillakunde» ist und welche Vor- beziehungsweise Nachteile ein solcher Großkunde für Agenturen und andere Kreativdienstleister mit sich bringt, erklärt sich am besten am Beispiel der Mercedes Agentur Antoni. Dort in Berlin wurde in 2015 eine komplette Agenturgruppe gegründet, um nur einen einzigen Kunden zu betreuen: Mercedes-Benz. Die Chancen für beide Seiten liegen auf der Hand. Die Risiken aber auch. Mehr zu den Risiken und Nebenwirkungen von «Gorillakunden» lesen Sie nicht in der Packungsbeilage, sondern in meinem Beitrag «Warum «Gorillakunden» gefährlich sind.» Wie das Kundenportfolio einer gesunden Agentur aussehen sollte, lesen Sie in meinem Beitrag «When size maters – Das perfekte Kundenportfolio für Agenturen.».
Hier und heute möchte ich allen Agenturen mit «Gorillakunden» ein paar Tipps geben, wie sie sich ein Stück weit unabhängiger machen und die Risiken für die Agentur minimieren können. Bedenken Sie bitte: Die Gefahr, einen Großkunden zu verlieren besteht immer und Ihr Einfluss darauf ist mehr als begrenzt. Deswegen ist es wichtig, dieses wahrscheinliche Szenario frühzeitig durchzuspielen und Maßnahmen zu planen, die die negativen Konsequenzen für Ihre Agentur minimieren und Ihre Rolle in einem potenziellen Trennungsszenario möglichst aktiv gestalten.
1. Stellen Sie sich frühzeitig der Tatsache, dass Sie Ihren «Gorillakunden» auch wieder verlieren werden. Die einzige Unsicherheit bleibt, wann und wie.
2. Machen Sie die ersten Schritte auf eine unvermeidbare Trennung hin:
(2.1) Versuchen Sie, eher anspruchslose, schlecht bezahlte Aufgaben, die Sie eh nie hätten übernehmen sollen, wieder zurückzudelegieren. Solche Projekte schaden Ihrer Reputation und Ihrer Positionierung, fahren Ihre Mitarbeiter sauer und signalisieren Ihrem «Gorilla», wie nötig Sie sein Geschäft letztlich haben.
(2.2) Versetzen Sie die Mitarbeiter Ihres «Gorillakunden» in die Lage, repetitive, wenig anspruchsvolle, einfache Aufgaben selbst zu erledigen, zum Beispiel mithilfe eines PIM (Product Information Management System) oder CMS (Content Management Systems).
(2.3) Wann immer wichtige Entscheider auf Kundenseite wechseln, übergeben Sie persönlich ein Kündigungsschreiben, verbunden mit der Botschaft: «Selbstverständlich möchten wir auch weiterhin für Ihr Unternehmen arbeiten, allerdings ist es uns wichtig, dass Sie die Zusammenarbeit aus freien Stücken und Überzeugung fortsetzen und nicht, weil Sie sich vertraglich gebunden fühlen.» Das ist mein voller Ernst. Zeit, dem neuen Entscheider gleich zu zeigen, wer in dieser Beziehung die Hosen an. Und scheuen Sie sich nicht, in diesem Zusammenhang, die bisherige Zusammenarbeit konstruktiv zu kritisieren und Wege aufzuzeigen, die Symbiose künftig noch produktiver zu gestalten.
3. Führen Sie einen «Gorillafonds» ein. Legen Sie einen bestimmten Prozentsatz des Gewinns aus Ihrem «Silberrückenkunden» zurück, für die Zeit nach der unvermeidlichen Trennung. Das stärkt Ihre Souveränität in den Trennungsverhandlungen und schützt die Agentur und ihre Mitarbeiter vor empfindlichen Verlusten, bis ein Ersatzkunde gefunden werden kann. Ihr «Gorillafonds» sollte mindestens drei, vorzugsweise 6 Monate der kundenbezogenen Overheadkosten finanzieren können.
4. Bauen Sie starke, unersetzbare Expertise auf, damit es Ihrem Großkunden extrem schwerfällt, Ihre Agentur zu ersetzen. Mit ein Grund, warum der McDonald's Etat so ungewöhnlich lange bei Heye lag, war die Tatsache, dass es der Agentur gelungen war, sich auf der operationalen Ebene so eng mit der Vielzahl von Franchisenehmern zu vernetzen, dass unersetzliches Know-how und Expertise aufgebaut, aber auch eine aus Sicht der Agentur hilfreiche Abhängigkeit entstand. Ein Agenturwechsel war also extrem kompliziert für McD, denn jede neue Agentur würde Jahre benötigen, um vergleichbares Know-how aufbauen zu können.
5. Entwickeln Sie heute, noch ohne Not, eine verbindliche Strategie für den Fall der Fälle. Definieren Sie detailliert, welche Maßnahmen Sie ergreifen werden / müssen, falls Ihr «Gorillakunde» die Agentur verlässt. Listen Sie minutiös auf, von welchen Mitarbeitern Sie sich trennen müssten und beachten Sie die Kündigungsoptionen. Ohne verbindlichen Plan, neigen Agenturmanager erfahrungsgemäß im Krisenfall dazu, viel zu lange zu warten, ehe sie die dringend notwendigen, unumgänglichen Personalentscheidungen treffen. Zugegeben, es war schwer genug, gute Leute an die Agentur zu binden, aber besser Sie gehen später erneut auf die Suche, als dass Ihre Agentur aus falscher Rücksicht in die Insolvenz gerät.
6. Entwickeln Sie ausschließlich Szenarien in denen Sie sich kein Geld borgen müssen. Wenn es gar nicht anders geht, schließen Sie rechtzeitig das Geschäft, ehe Sie vorbelastet mit Insolvenzverfahren und Schulden zu neuen Ufern aufbrechen.
7. Informieren Sie Ihre Partner und Mitarbeiter schnell und vollumfänglich. Egal, wie schlecht die Neuigkeiten sind, bleiben Sie ehrlich.
Auch, wenn Optimisten behaupten, dass sich immer eine neue Tür öffnet, wenn sich eine alte schließt, sprich immer gerade dann ein neuer großer Kunde an die Agenturtür klopft, wenn ein anderer die Agentur verlässt, haben Sie einen Plan B und behalten Sie bloß die Hosen an, gerade, was Ihre «Gorillakunden» betrifft.