Hurra! Der Pitch ist durch. Die neue Agentur gefunden. Der neue Kunde gewonnen. Und jetzt? Ärmel hochkrempeln und losarbeiten? Kann man machen – sollte man aber nicht. Wer jetzt hektisch mit der neuen Agentur zum Tagesgeschäft übergeht, riskiert, alte Fehler und suboptimale Prozesse zu replizieren, weit weniger, als das Optimum aus der neuen Partnerschaft herauszuziehen und möglicherweise schneller als einem lieb ist, wieder mit den gleichen Problemen zu ringen, die letztlich erst zum Pitch geführt haben.
Sehr wahrscheinlich warten bereits dringliche Aufgaben auf die neue Agentur, denn in der Pitch-Phase konnte nur mit halber Kraft und nur das Nötigste abgearbeitet werden, aber trotzdem müssen Sie sich jetzt ein wenig Zeit nehmen, um sicherzustellen, dass dieser Neustart kein Fehlstart wird.
Ich empfehle folgende Post-Pitch-Schritte:
1. Vertragsverhandlung
Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, den neuen Vertrag detailliert Ihren Wünschen und Möglichkeiten anzupassen. Sehr wahrscheinlich haben Sie inzwischen gelernt, wo der alte Vertrag Schwächen und Lücken hatte. Nutzen Sie die Chance Konditionen, die Ihnen besonders wichtig sind, neu zu gestalten. Vielleicht ist es ja auch Zeit mal ein anderes, besser geeignetes Honorierungsmodell auszuprobieren? Mehr über alternative Honorierungsmodelle lesen Sie in meinen Beiträgen "Das beste Agenturvergütungsmodell aus Sicht der Auftraggeber." oder "Das beste Vergütungsmodell aus Sicht von Agenturen." und "Wie man Agenturleistungen angemessen vergütet." Und wenn Sie ganz schlau waren, haben Sie die Rahmenbedingungen des Vertrags bereits im Rahmen des Pitches mit den Shortlist-Kandidaten verhandelt. Denn jetzt – wo Ihr Favorit feststeht und es kein Zurück mehr gibt, sind Sie in einer eindeutig schwächeren Verhandlungsposition!
2. On-Boarding-Meeting
Im Beginn einer neuen Kunden-Agenturbeziehung liegt die riesengroße Chance, endlich einmal alles besser zu machen, als beim letzten Mal. Sich erst einmal stressfrei besser kennenzulernen. Zeit zu nehmen, über Werte und Haltungen beider Geschäftspartner zu sprechen. Die neue Marke beziehungsweise das neue Produkt besser kennenzulernen. Gegenseitige Erwartungen an die neue Zusammenarbeit auszutauschen. Ziele zu definieren, an denen man später messen will, ob die Zusammenarbeit als erfolgreich betrachtet werden kann. Prozesse zu etablieren, Reportings festzulegen, Tools zu vereinbaren. Einfach erst einmal über die wirklich wichtigen Dinge zu sprechen. Das Große ins Auge zu fassen, bevor alle das Tagesgeschäft wieder einholt und sich jeder in die Detailarbeit vertieft. Warum On-Boarding Meetings wichtig sind, und wie man sie erfolgreich gestaltet, lesen Sie in meinen Beiträgen "Welcome on Board! Wie Sie neue Kunden sicher ins Boot holen." und "Fehlstart – Warum jede neue Kunde-Agentur-Beziehung mit einem professionellen On-Boarding-Meeting beginnen sollte.".
3. Zielvereinbarung
Noch viel zu oft beginnt die Zusammenarbeit zwischen einem Werbetreibenden und seiner neuen Agentur ohne, dass die Ziele der Zusammenarbeit konkret besprochen, geschweige denn gemeinsam vereinbart wurden. Woran will man messen (zum Beispiel in 6 Monaten, zum Ende der Probezeit), ob die Zusammenarbeit erfolgreich war? Ohne konkrete Ziele sind beide Seiten einer subjektiven und tagesformabhängigen, eher globalen und damit oft ungerechten Beurteilung der Leistung ausgeliefert. Wie Sie Ziele mit Ihrer neuen Agentur möglichst smart formulieren, lesen Sie in meinem Beitrag "Wie man Projektziele S-M-A-R-T formuliert.".
4. Reviews
Vereinbaren Sie formelle Review-Meetings zwischen dem Kern-Team in der neuen Agentur und beim Auftraggeber; mit abnehmender Frequenz. Also zunächst vielleicht wöchentlich, dann monatlich, dann quartalsweise und später einmal jährlich. Ziel dieser Meetings ist es, den Fortschritt gegenüber den Zeitplänen und Milestones sowie die Performance in Bezug auf die vereinbarten KPIs zu besprechen und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zu beschließen oder Prozesse zu optimieren. Leider noch viel zu häufig erlebe ich es, dass sich Auftraggeber oder Agenturen über Monate ärgern und quälen, sich Aggressionen aufbauen, Missverständnisse zu ernsten Problemen ausweiten oder es keine geeigneten Maßstäbe gibt, die Performance objektiv zu bewerten.
Im letzten Sommer hatte ein großer deutscher Markenartikelhersteller in einem aufwendigen Pitch eine neue Agentur gesucht und gefunden. Heute, fast ein Jahr später ist immer noch keine neue Kampagne on-air. Ob es wohl daran lag, dass der Werbetreibende seinerzeit glaubte, keine Zeit für den von mir wärmstens empfohlenen On-Boarding-Prozess zu haben?
In den vorangegangenen 10 Beiträgen habe ich mich hauptsächlich mit dem eigentlichen Pitch beschäftigt und Ihnen, neben dem klassischen Full-Size-Pitch, sieben weitere alternative, für Sie vielleicht neue Pitch-Arten vorgestellt, die Werbungtreibenden wie Agenturen dabei helfen können, wertvolle Ressourcen, wie Zeit, Manpower und Geld zu sparen.
Der New Business Doctor hilft Ihnen sehr gerne dabei, Ihre neue Agentur nach allen Regeln der Kunst an Bord zu nehmen. Wollte schließlich schon immer mal als Schiffsarzt arbeiten.
Die Inhalte meiner 12 Beiträge zum Thema "Besser-Pitchen" gibt es jetzt auch als kompaktes White Paper bei Slideshare.