In einem früheren Beitrag «5 Strategien Ihre Honorarforderungen durchzusetzen.» hatte ich ein paar hoffentlich hilfreiche Tipps dazu gegeben, wie man seine Honorarvorstellungen in Preisverhandlungen mit Auftraggebern optimal durchsetzen kann. Immer häufiger sehen sich Agenturen und sonstige Kreativdienstleister einem Einkäufer beziehungsweise einer ganzen Einkaufsabteilung gegenüber, wenn es um Preisverhandlungen geht. Häufig werden sogar die Pitches von der Einkaufsabteilung gesteuert und in vielen Fällen stellt der Einkauf den ersten Kontakt zu einem neuen potenziellen Auftraggeber her.
Aber wie geht man als Agentur oder Freelancer am besten um, mit diesen oft ahnungs-, gnaden- und manchmal sogar schamlosen Profiverhandlern? Hier ein paar nützliche Informationen und Praxistipps:
Einkaufsabteilung – was ist das eigentlich?
Die Arbeitsagentur definiert das Tätigkeitsfeld von Einkäufern wie folgt: «Einkäufer/innen beschaffen Waren oder Dienstleistungen. Sie ermitteln den Bedarf, vergleichen Angebote, verhandeln mit Lieferanten und schließen Verträge.». In der Regel wird zwischen dem strategischen und dem operativen Einkauf unterschieden. Agenturen und Freelancer haben meist mit den operativen Einkäufern zu tun, die – nach Vorgabe des strategischen Einkaufs – konkrete Leistungen zu bestmöglichen Konditionen einkaufen sollen.
Mehret euch redlich – Warum wir immer häufiger mit Einkäufern verhandeln?
Den Einkauf zu professionalisieren ist grundsätzlich eine klevere Idee von Unternehmern, und kann dabei helfen, die Produktionskosten erheblich zu senken und dem Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit sichern, wenn das richtig verstanden und gemacht wird. So wird Produkt-, Qualitäts- und Verhandlungsexpertise optimal eingesetzt und die anderen Abteilungen von diesen wichtigen aber oft zeitaufwendigen Aufgaben entlastet. Sicher der Grund, warum auch Agenturen und Kreativdienstleister immer häufiger mit Einkäufern, statt ihren direkten Auftraggebern in den Fachabteilungen über Pflichtenhefte, Leistungspakete, Zahlungskonditionen und Honorare verhandeln müssen.
Heute Blindmuffen, morgen eine Social Media Kampagne - Ein Einkäufer kann nicht alles können.
Das Problem ist häufig nur, dass der selbe Einkäufer, der gerade noch 10.000 Blindmuffen nach ISO-Norm aus Bangladesch besorgen musste, nun mit Agenturen über Kreativ- oder Beratungsdienstleistungen verhandelt. Die wenigsten Einkäufer haben aber ausreichend Erfahrung mit genau diesen hochspezialisierten Dienstleistungen und viele glauben, dass Ausschreibung, Ausschreibung und Leistung, Leistung sei. So kommt es, dass häufig standardisierte und völlig marktfremde Ausschreibungsunterlagen sowie Preis- und Konditionenanfragen auf den Tischen der Agenturen landen. So sollte ich vor Jahren (Kein Witz!) im Agenturvertrag zusagen, die «Ware frei Schiff» zu liefern.
Hier mein Praxis-Tipp: Bevor Sie sich als Agentur oder Freelancer die Mühe machen, völlig sinnfreie Listen gewissenhaft und mit Fleiß auszufüllen, greifen Sie zum Hörer und sprechen Sie mit dem Einkauf. Oft sind die sich gar nicht bewusst über die Sinnlosig- und Unbrauchtbarkeit ihrer Unterlagen und in den meisten Fällen sogar ganz dankbar über konstruktive Hinweise und Verbesserungsvorschläge. Und in den meisten Fällen erfahren Sie dann, dass Sie die Seiten 3 bis 15 der Unterlagen gar nicht ausfüllen müssen. Ressourcen geschont.
Einkauf und Marketing – Ungeliebte Stiefschwestern.
So glücklich und dankbar die meisten Marketingleute darüber sind, dass der Einkauf ihnen die unerfreuliche Arbeit der Konditionen- und Preisverhandlung und das unerquickliche Vertragswesen abnimmt, so lästig können Einkaufsabteilungen auf der anderen Seite sein, wenn es gilt einen präferierten Dienstleister schnell und komplikationsfrei unter Vertrag und nutzen zu können. Fressen die normierten Einkaufs- und Procurementprozesse doch häufig viel wertvolle Zeit, die man im Marketing selten hat und haben Einkäufer manchmal noch eigene Ideen, wie man die gewünschten Dienstleistungen vermeintlich woanders deutlich günstiger bekommen könnte.
Mein Praxis-Tipp: Bevor Sie der Fachabteilung (also Ihrem potenziellen direkten Auftraggeber in der Marketing- oder Werbeabteilung) Ihre Konditionen nennen oder Gott bewahre mit der Fachabteilung darüber verhandeln, fragen Sie immer zuerst, ob das Unternehmen des Auftraggebers eine Einkaufsabteilung für die Konditionenverhandlungen einzuschalten gedenkt. Viel zu häufig ist man der Fachabteilung mit den Konditionen im vorauseilendem Gehorsam schon ein gutes Stück entgegen gekommen, nur, um dann an den Einkauf weitergeleitet zu werden, der dann natürlich auch noch mal Zugeständnisse fordert und erwartet. Wenn also Ihr potenzieller Auftraggeber mit dem Einkauf «droht», behalten Sie sich die Konditionenverhandlungen für die Profiverhandler vor.
Schnäppchen als Beruf – warum sich Einkäufer rechnen.
Einkäufer gelten immer dann als besonders erfolgreich, wenn es Ihnen gelingt, möglich hohe Einsparungen zu realisieren. Key Performance Indicator ist die Differenz beziehungsweise Einsparung zwischen erstem Angebot und finalem Preis. Der Einkäufer muss also den Preis drücken, um seine Daseinsberechtigung dokumentieren zu können. Qualität spielt natürlich auch immer eine Rolle, ist aber bei Kreativ- und Beratungsdienstleitungen (in Ermangelung von ISO-Normen) schwer vergleichbar zu machen und von den meisten Einkäufern nicht zu beurteilen.
Mein Praxis-Tipp: So platt es auch klingt: Planen Sie bei der Abgabe Ihres ersten Preises immer einen Puffer von zirka 10 bis 15 Prozent als Verhandlungsspielraum beziehungsweise «Goody» für den Einkauf ein. Dem Einkäufer ist es letztlich egal, wie hoch Ihr erster Preis war, solange er nur einen attraktiven Preisnachlass durchsetzen, dokumentieren und sich damit profilieren kann.
Da geht doch noch was – Wie Sie Ihre Forderungen durchsetzen.
Preis- und Konditionenverhandlungen wirken zwar für die meisten lästig sind aber ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Profitabilität Ihrer Arbeit. Wer hier Fehler macht oder zu schnell nachgibt, verliert möglicherweise viel Income, noch bevor der Auftrag überhaupt beginnt.
Mein Praxis-Tipp: Kalkulieren Sie sehr genau und ehrlich, was Ihre Leistung mindestens erlösen muss, um profitabel zu sein. Definieren Sie eine klare Untergrenze, bei der Sie die Verhandlungen abbrechen werden, ganz egal, wie attraktiv Ihnen der Auftrag aus anderen Gründen auch erscheinen mag. Verhandeln Sie clever und sein Sie konsequent.
Mehr darüber, wie Sie Ihre Forderungen durchsetzen, lesen Sie in meinem Post «5 Strategien Ihre Honorarforderungen durchzusetzen.». Mehr darüber, wie Sie clever kalkulieren, um profitabel arbeiten zu können in meinem Post «Wie Sie Ihre Agenturstundensätze steigern und ein Grund, es vielleicht nicht zu müssen (Teil 1).». Mehr darüber, wie man mehr Angebote in Aufträge verwandelt, lesen Sie in meinem Post «Wie man mehr Angebote in Aufträge verwandelt.» und «Wie man Angebote schreibt, die zum Auftrag führen.». Wenn Sie wissen wollen, warum Sie viel zu billig anbieten, lesen Sie meinen Post «Warum Agenturen viel zu billig sind.».
Mit dem Wolf tanzen - Ran an den Feind!
Meine Vermutung ist, dass auch Agenturen und Freelancer in Zukunft sich immer häufiger mit professionellen Einkäufern auf der anderen Seite des Verhandlungstisches konfrontiert sehen werden. Meine Hoffnung, dass gerade werbungtreibende Markenartikler künftig mehr Einkäufer mit Marketing-Know-how einstellen, die besser beurteilen können, welche Qualität die einzukaufende Beratungs- oder Kreativdienstleistung hat beziehungsweise haben muss, als ihre Blindmuffen-einkaufenden Kollegen von gestern. So oder so, müssen wir die Herausforderung annehmen und lernen, mit Einkäufern so zu verhandeln, dass wir profitabel arbeiten können.
Schlechte Seiten - Gute Seiten.
Und falls es weiter oben irgendwie untergegangen sein mag: Professionelle, branchen- und leistungskompetente Einkäufer haben auch ihre Vorteile für Agenturen. Durch die konsequente Umsetzung von Procurement-Richtlinien wird Vetternwirtschaft bekämpft und werden faire Ausschreibungbedingungen garantiert. Gute Einkäufer werden in der Regel rechtssichere Verträge aufsetzen und mit detaillierten Leistungskatalogen und Pflichtenheften sowie klar definierten Milestones, verhindern, dass vereinbarte Leistungsumfänge und Projekt-Timings durch die Fachabteilung später schamlos und meist ohne zusätzliche Honorierung überzogen werden. Hat man einmal klare Zahlungsziele definiert, sorgt der Einkauf in den meisten Fällen auch dafür, dass diese eingehalten werden und das lästige Mahnen hat ein Ende.