Gerade erreicht mich die Nachricht einer von mir ge-coachten Agentur, dass es mit dem ambitioniert umkämpften New Business nicht geklappt habe. Der Kunde habe sich entschieden bei der alten Agentur zu bleiben. Schade! Wie ich finde, für beide Seiten.
Der New-Business-Verantwortliche klingt enttäuscht (Wer will es ihm verübeln?), aber auch ein wenig sauer, fühle er sich doch «verarscht» und als «Kanonenfutter» missbraucht, von einem «hinterfotzigen» Kunden, der mit der alten Agentur - und da sei er sich sicher – bestimmt «eine Leiche im Keller» habe. Da werde er jetzt aber eine «gepfefferte» E-Mail hinschreiben und darlegen, was er von solchen Kunden ganz generell halte.
Keine gute Idee, rät der New Business Doctor. Natürlich ist es nur menschlich, wenn der Frust jetzt ein Ventil braucht, und schreiben soll er ja ruhig, aber bitteschön konstruktiv und bestenfalls eine Brücke bauend, für die zweite Chance, die einem ja öfter gewährt wird, als Agenturen gemeinhin denken (Ein entsprechendes Musterschreiben finden Sie weiter hinten in diesem Post).
Gerade sitze ich zusammen mit einer von mir betreuten Agentur an dem Entwurf für den Agenturvertrag mit einem neuen attraktiven Kunden, der uns vor etwa 6 Monaten nach einem Pitch abgesagt hatte. Man habe unsere strategische Herangehensweise sehr geschätzt, aber die andere Agentur habe bereits konkrete Lösungsvorschläge vorlegen können, die man nur noch umsetzen müsse, hieß es noch Anfang des Jahres. «Von konkreten Umsetzungsideen ist im Pitch abzusehen.», hieß es seinerzeit explizit im Pitch-Briefing. «Zu dumm, dass wir uns daran gehalten haben!», wollte die Agentur schon beinahe an den Werbetreibenden schreiben, hätte ich sie nicht davon abhalten können.
Stattdessen blieben wir souverän, konstatierten unser volles Verständnis für die Entscheidung und bauten Brücken, für den Fall, dass man zu einem späteren Zeitpunkt feststellen würde, dass Lösungen ohne solides strategisches Fundament manchmal in sich zusammenfallen. «But, now bad feelings.», wie die Amerikaner sagen.
Keine vier Monate später hatte ich eine sehr kleinlaute Kundin am Telefon, die sehr höflich fragte, ob sie eventuell noch einmal vorbeikommen und mit der Agentur über eine mögliche Zusammenarbeit sprechen könne. Durfte sie. Hatten wir ihr ja explizit angeboten.
Was soll ich sagen: Die vorgeblichen Pragmatiker der anderen Agentur hatten nichts von dem gehalten, was sie vollmundig versprochen hatten, die Kundin fühlte sich schlecht beziehungsweise nicht beraten und war froh, in uns eine valide Alternative zu wissen. Dass unsere Verhandlungsposition nun plötzlich eine gänzlich andere war, als im Pitch, muss ich nicht betonen.
Und die Moral von der Geschicht': Reiß' dich zusammen und schreib' bloß keine bösen E-Mails nicht.
Und hier ein Vorschlag für ein Musterschreiben nach verlorenem Pitch:
Sehr geehrter Herr Muster,
Die Nachricht, dass Sie sich für eine andere Agentur entschieden haben, hat uns – wie Sie sich sicher vorstellen können – enttäuscht. Wir respektieren Ihre Entscheidung ohne wenn und aber. Schade finden wir es natürlich dennoch, da wir davon überzeugt sind, Ihnen eine nachhaltig Erfolg versprechende Lösung empfohlen zu haben.
Da wir auch an unseren Niederlagen wachsen wollen, wäre es für uns sehr hilfreich, wenn Sie uns mit wenigen Stichworten mitteilen könnten, warum wir unterlegen sind.
Waren die vorgestellten Ideen nicht kreativ genug? Oder vielleicht zu mutig? Hatten Sie den Eindruck, wir hätten Ihr Produkt / Ihre Marke / Ihren Markt / Ihre Zielgruppe nicht richtig verstanden? Hatten Sie das Gefühl, die effektive Umsetzung der Idee in verschiedene Kanäle war misslungen? Hat die Chemie nicht gestimmt? Hatten Sie den Eindruck, wir seien zu teuer oder zu unflexibel? Oder gab es andere Gründe, aus denen wir lernen könnten? Wie gesagt, wenige Anhaltspunkte genügen uns schon. Am Telefon oder schriftlich per E-Mail, Fax oder Brief.
Für's erste möchte sich das Team um [Name] noch einmal dafür bedanken, dass Sie uns Ihr Vertrauen geschenkt und uns die Chance gegeben haben, an dieser herausfordernden Aufgabe arbeiten zu dürfen. Selbstverständlich freuen wir uns, wenn Sie uns nicht nur in hoffentlich guter Erinnerung, sondern trotzdem auch weiter im Auge behalten würden. Denn wer weiß, vielleicht ergibt sich ja noch einmal eine zweite Chance, unsere Leistungsfähigkeit und Kreativität unter Beweis stelen zu dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
Mustermann & Partner
Werbeagentur GWA
Mehr darüber, wie man als Agentur an seinen Pitch-Niederlagen wachsen kann, lesen Sie in meinem Post :«Gewinnen macht stolz – Verlieren macht stark.».