Als Pitch-Berater, der immer mal wieder auf beiden Seiten des Pitch-Prozess steht, also je nachdem Werbung treibenden Marketingentscheidern oder pitchenden Agenturen Beistand leistet, wundert es mich immer wieder, wie spät, im Pitchprozess die Parteien eigentlich über Konditionen sprechen. Dieses eigentlich unprofessionelle Verhalten birgt ja große Gefahren für beide Seiten:
1. Das Werbung treibende Unternehmen merkt schlimmstenfalls erst, nachdem es sich für einen neuen Agenturpartner entschieden und den anderen Kandidaten abgesagt hat (a), dass man sich den neuen Kreativpartner eigentlich gar nicht leisten kann oder (b), dass die Agentur falsche Vorstellungen von dem Umfang und den Verdienstmöglichkeiten des neuen Auftrags hatte und sich nun enttäuscht entweder ganz vom Projekt zurückzieht oder mit angezogener Handbremse und mindermotiviert in die noch neue Zusammenarbeit antritt.
2. Nachdem die als Sieger aus dem Pitch hervorgehende Agentur sich nun in Sicherheit wiegt, der offensichtlich attraktivste Partner für das Werbung treibende Unternehmen zu sein, wird es der viel zu spät involvierte Einkauf auf Granit beißen, beim Versuch, nachträglich bessere Konditionen zu verhandeln. Schließlich kann sich die gewinnende Agentur inzwischen ziemlich sicher sein, dass das Unternehmen weder den Pitch erneut aufrollen wird, noch motiviert ist, mit dem zweitbesten und möglicherweise günstigeren Partner arbeiten zu wollen.
3. Für Agenturen ist es gelinde gesagt eine Katastrophe, als Gewinner aus einem Pitch hervorzugehen, nur um dann festzustellen, dass sich das mindestens vierstellige Investment aufgrund des geringen tatsächlichen Budgets, schlechter Konditionen beziehungsweise deutlich herabzusetzender Einkommensprognosen, wohl nie amortisieren wird.
4. Und möglicherweise ist man auch als Agentur in einer schlechten Verhandlungsposition, wenn der Einkauf um die enorme Vorleistung weiß, die man als Agentur ja nun nicht so einfach abschreiben möchte, nur um die eigenen Honorarvorstellungen ohne Abstriche durchzusetzen.
Deswegen mein dringender Rat an alle am Pitch Beteiligten: Verschaffen Sie sich ein realistisches Bild über (a) die zur Verfügung stehenden Budgets und daraus resultierend, das Income-Potenzial für die Agentur und (b) über das Honorarniveau, dass der Auftraggeber zu zahlen bereit ist beziehungsweise dass die Agentur verlangen möchte, um profitabel und hochmotiviert arbeiten zu können. Und zwar bevor Sie als Marketingentscheider die Shortlist der Pitch-Teilnehmer zusammenstellen und bevor Sie als Agenturmanager die Entscheidung treffen, sich am Pitch zu beteiligen.
Unter dem Konzepttitel "Rate first – Pitch second" empfiehlt auch Agenturinhaber Matthias Schrader [hier] seinen Agenturkollegen, doch bitteschön zuerst die Konditionen zu klären bevor man sich entscheidet, zum Pitch anzutreten. Die wichtigsten Auszüge aus seiner Empfehlung hier:
"Agenturen können nur dann auf Augenhöhe auskömmliche Rate Cards verhandeln, wenn das heutige Vorleistungsprinzip entfällt. Denn hat die Agentur erst einen sechsstelligen Betrag in einen Pitch investiert, hat sie spieltheoretisch kaum noch eine Chance, im nachgelagerten Einkaufsprozess ihre Stundensätze auf einem angemessenen Niveau zu verteidigen."
"Aus Verlustangst, bereits geleistete Pitchaufwände abschreiben zu müssen, lassen sich Agenturen regelmäßig in kundenseitig professionell geführten Einkaufsprozessen auf das Preisniveau leistungsschwächerer Wettbewerber herunter handeln."
"In der Rückkopplungsschleife bereinigt sich das Teilnehmerfeld, wenn die Konditionen unattraktiv sind."
"Stimmen aber die Bedingungen, sind die Agentur noch stärker motiviert, Vollgas zu geben."